13. Mai 2025 Koordinatorinnen mentoring³
Mit viel Zuversicht und Enthusiasmus macht sich mentoring³ seit 2005 jedes Jahr neu auf den Weg, Frauen individuell auf ihrem Karriereweg in der Wissenschaft zu begleiten. Wenn ein universitäres Programm zur Karriereentwicklung für Frauen in der Wissenschaft sein 20-jähriges Jubiläum feiert, ist das ein Moment, stolz zurückzublicken. Schauen wir der Realität ins Auge, heißt es aber auch: Es sind schon viele Schritte getan und es liegt noch einiges vor uns.
Als aktuelle Koordinatorinnen haben wir die Mitbegründerinnen von mentoring³ – Dr. Renate Petersen, Helga Rudack und Dr. Ute Zimmermann – zur Entstehung und Entfaltung des starken Programms befragt und nehmen als m³-Team selbst Stellung zu den Zukunftsperspektiven.
Worum geht es in mentoring³?
Mentoring³ verfolgt das Ziel, die individuelle Karriereentwicklung von Wissenschaftlerinnen zu stärken und deren Anteil in Führungspositionen zu erhöhen. Es wird im Rahmen der Research Academy Ruhr an den drei teilnehmenden Hochschulen der Ruhr-Universität Bochum (RUB), Universität Duisburg-Essen (UDE) und Technische Universität Dortmund (TU Dortmund) angeboten. Das Programm besteht aus drei Komponenten: One-to-One Mentoring mit einem*r Mentor*in, Peer Mentoring der teilnehmenden Mentees und Workshops zur überfachlichen Kompetenzentwicklung wie bspw. Kommunikations- und Führungskompetenzen. Aufgeteilt nach Fächergruppen startet an jedem Standort im jährlichen Wechsel jeweils eine Programmlinie für Doktorandinnen bzw. Postdoktorandinnen.
Wie kam es zu mentoring³?
Ute Zimmermann erzählt: „Mentoring³ war das erste Projekt der Universitätsallianz Ruhr, also die erste wirkliche Kooperation der drei Hochschulen TU Dortmund, RUB und UDE. Der Grundstein hierfür war die gute Kommunikation der drei Gleichstellungsbeauftragten, die Initiative für die Zusammenarbeit ging dabei von der UDE aus.“
Die UDE und die RUB hatten vor Gründung von mentoring³ bereits eigene Mentoring-Programme, die durch das BMBF bis 2004 finanziert wurden. Um eine erneute Förderung zu erwirken, verständigten sich die drei Gleichstellungsbeauftragten auf ein gemeinsames Programm für Doktorandinnen, aufgeteilt nach Fachbereichen, das jeweils von einer Uni koordiniert werden sollte. Den damaligen Profilschwerpunkten folgend gingen die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften an die UDE, die Naturwissenschaften an die RUB und die Ingenieurwissenschaften an die TU Dortmund. Zuerst gab es nur eine Programmlinie für Doktorandinnen. Nach deren erfolgreichem Abschluss wurde in 2007 auch eine für Postdoktorandinnen initiiert. Helga Rudack erinnert sich: „Es war von Anfang an die Idee, dass wir das Mentoring-Programm für die drei Hochschulen gemeinsam aufsetzen, daher auch der Name „hoch 3“. Die Koordinatorinnen wechselten mit der Zeit und dadurch wechselte dann auch die Verantwortlichkeit von der Gleichstellung in die Personalentwicklung bzw. Graduiertenförderung.“
Mit welchen Hürden hatte das Programm zu Beginn zu kämpfen?
Die Annahme des Programms durch die Zielgruppe war kein Problem. Auch in den Fachbereichen stieß mentoring³ auf großen Zuspruch. Aufgrund der vorherigen Mentoring-Programme an den Universitäten erhielt das Programm die Unterstützung durch die Dekanate und die Koordinatorinnen konnten direkt mit den Promovendinnen in Kontakt treten.
Eine wichtige Hürde, die das Programm zu Beginn nehmen musste, lag allerdings in der Finanzierung. Nachdem die Förderung durch das BMBF ausgelaufen und ein Mercator-Antrag gescheitert war, übernahmen die drei Unis die Finanzierung von mentoring³ selbst, wobei diese in den ersten Jahren noch befristet war. Die Nachfragen nach der Wirksamkeit von Mentoring waren nicht einfach zu beantworten. Gegenüber den Rektoraten musste gut kommuniziert werden, dass das Programm wichtig und hilfreich ist, denn, so Renate Petersen:
„Mentoring ist immer multikausal, es gibt also nie eine identische Kontrollgruppe und somit ist die Wirksamkeit nicht empirisch messbar. Die Aussage: ‚Die Wissenschaftlerin hat am Mentoring teilgenommen und deshalb ist sie Professorin geworden!‘ ist unseriös, da individuelle Einflussfaktoren nicht berücksichtigt werden.“
Nach den ersten zehn Jahren evaluierten die Koordinatorinnen das Programm, indem sie ehemalige Mentees befragten, wie sie das Mentoring rückwirkend beurteilen und inwiefern es sie in ihrer Karriere unterstützt hat. Die ehemaligen Teilnehmerinnen gaben sehr positive Rückmeldungen dazu, inwiefern die einzelnen Programmelemente für sie einen Karriereschub bedeutet hatten.
Wie hat sich mentoring³ über die Jahre entwickelt?
Das Programm hat sich insgesamt weiterentwickelt, weg vom Erwerb rein beruflicher Kompetenzen hin zu einem Angebot der nachhaltigen Begleitung auf dem Karriereweg und der umfassenden Persönlichkeitsentwicklung. Karriereförderung nimmt seither einen anderen Stellenwert ein. Sie wird nicht als ‚Nachteilsausgleich‘ gesehen, vielmehr wird Unterstützung aktiv gesucht und angenommen. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen von heute treffen ihre Karriereentscheidungen viel bewusster, sie wägen diese aber auch mit persönlichen Werten und Aspekten der Vereinbarkeit von Care-Aufgaben ab.
Die Mentoring-Gruppe wird genutzt, um sich intensiver auszutauschen und anderen, selbstgewählten Themen zu widmen. Sowohl Docs als auch Postdocs profitieren enorm vom Austausch und den Gesprächen auf der Peer-Ebene. Beim One-to-one-Mentoring geht es für die Doktorandinnen um grundlegendes Empowerment durch erfahrene Wissenschaftler*innen. Die Postdocs haben sich bereits in einem gewissen Umfang für die Karriere in der Wissenschaft entschieden und brauchen eine zusätzliche und individuelle Einschätzung, einen weiteren fachkundigen Blick auf die Möglichkeiten und speziellen Herausforderungen ihrer wissenschaftlichen Karriere.
Helga Rudack fasst zusammen:
„Wir waren die ersten, die für die Zielgruppe Doktorandinnen Workshops angeboten haben, das gab es vorher noch gar nicht. Aber im Laufe der Zeit hat sich das gewandelt. Die Doktorandinnen haben heute in den Graduiertenzentren ganz andere Möglichkeiten, Workshops zu besuchen und sich weiterzubilden. Im Mentoring geht es den Wissenschaftlerinnen jetzt stärker darum, die Karriere in der Wissenschaft zu befördern, Mentor*innen zu gewinnen, die sie unterstützen, die ihnen Feedback geben: ‚Wie kommt man in einen Postdoc rein? Ist die Wissenschaftskarriere etwas für mich?‘ und noch mehr für das Thema zu sensibilisieren, was es heißt, als Frau in der Wissenschaft zu sein.“
Was braucht ein erfolgreiches Mentoring-Programm?
Die immer noch hohen Ausstiegszahlen von Wissenschaftlerinnen nach der Promotion bestätigen den Bedarf an strukturierten Programmen, in denen die Wissenschaftskarriere individuell begleitet wird. Optionen und Wege sind transparenter geworden, aber dadurch nicht zwangsläufig attraktiver. Die Hochschulen brauchen weiterhin Programme, die sich ausschließlich an Wissenschaftlerinnen richten. Wir brauchen den geschützten Raum, der hierdurch entsteht, um Chancengerechtigkeit zu erreichen und die Wissenschaft als Arbeitgeberin für Frauen attraktiv zu machen.
Es geht prinzipiell darum, wertvolle Erfahrungen und (informelles) Wissen weiter zu geben und dadurch Menschen zu fördern und Chancen zu eröffnen. Mentoring ist besonders in Statuspassagen hilfreich, wenn es um Orientierung geht und die Erfahrungen von Role Models eine wichtige Ressource sind. Dennoch muss der eigene Weg individuell gefunden und es müssen eigene Erfahrungen gemacht und damit umgegangen werden. Mentoring ist kein Selbstläufer, es braucht eine inhaltliche Steuerung durch die Programmkoordination und kann nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Mentee auf ihr Ziel fokussiert.
Wünsche für die Zukunft von Mentoring in der Wissenschaft
Ute Zimmermann benennt das ursprüngliche Ziel, mit dem das Programm gestartet wurde:
„Angetreten sind wir mit dem Gedanken: Wir machen uns überflüssig. Irgendwann soll es normal sein, dass man Wissenschaftlerinnen ganz anders bewertet, weil nicht alle über den gleichen Stock springen können. mentoring³ braucht es solange, bis die Fakultäten für sich erkannt haben, dass sie Frauen anders fördern müssen als Männer.“
Helga Rudack macht darauf aufmerksam, dass noch immer zu wenige Frauen den Weg der Wissenschaftskarriere gehen und betont: „Es braucht Mentoring, um aufzuzeigen, wie dieser Weg gestaltet werden kann. Und es gibt immer noch viel Motivation unter den Mentor*innen, Wissenschaftlerinnen ehrenamtlich auf ihrem Karriereweg zu begleiten, weil auch sie im Mentoring einen Lernprozess beschreiten.“ Es sei wünschenswert, „dass Mentoring künftig eine feste Säule in der wissenschaftlichen Personalentwicklung bildet und an wirklich jeder Hochschule installiert ist,“ findet Renate Petersen. Dazu gehöre eine strukturierte Rückkopplung neu generierten Wissens (von Mentees und Mentor*innen) in die jeweilige Fakultät.
Wir als aktuelle Koordinatorinnen wünschen uns, dass mentoring³ fester Bestandteil an den drei Universitäten bleibt und weiter erfolgreich arbeiten kann, denn gutes Mentoring wird immer gebraucht! Mit ausreichenden Ressourcen kann es einen entscheidenden Beitrag nicht nur für einzelne Personen, sondern ebenso für Organisationen leisten.
Zitation: im Interview mit Koordinatorinnen mentoring³: 20 Jahre mentoring³: Frauen verbinden – Wissenschaft stärken, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 13.05.2025, www.gender-blog.de/beitrag/20-jahre-mentoring-hoch-drei/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20250513
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