Skip to main content
Headergrafik: Rodrigo/stock.adobe.com

Forschung

Wie beeinflussen Partner*innen die eigene Karriere? Neues Projekt gestartet

11. März 2025 Sophia Hon Rafail Dimopoulos

In der modernen Gesellschaft hat sich die Doppelverdienst-Partnerschaft als normative Beziehungskonstellation etabliert. 2013 lebten ca. 65 % der deutschen Haushalte im Doppelverdienst-Modell (Garbuszus et al., 2018). Gesellschaftlich entwickeln sich Geschlechterrolleneinstellungen zunehmend in eine egalitäre Richtung, und die traditionelle Rollenverteilung von Haushalt und Beruf verliert immer mehr an Bedeutung (Goldscheider et al., 2015).

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie sich der Vergleich mit dem/der Partner*in auf das karrierebezogene Selbstbewusstsein auswirken, insbesondere bei jungen Paaren, die sich noch auf dem Arbeitsmarkt etablieren müssen. In unserer Studie zu der Karriereentwicklung von Young Professionals erforschen wir entsprechende Effekte.

Karrieren werden zunehmend interdependent

Ökonomische Faktoren, insbesondere die steigende Inflation und erhöhte Lebenshaltungskosten, stehen im Kontrast zu Löhnen, die nicht proportional gestiegen sind (Leonce, 2020). Folglich sehen sich viele Familien gezwungen, ein duales Einkommen anzustreben, um ihren Lebensstandard zu sichern (Lyonette et al., 2011). Diese Veränderungen führen dazu, dass Karrieren innerhalb von Partnerschaften in hohem Maße interdependent sind (Litano & Major, 2016; Parasuraman & Greenhaus, 2002). Denn Karriere- und Arbeitsentscheidungen können nicht isoliert von dem/der Partner*in getroffen werden. Fragen und Herausforderungen, wie „Nehme ich den Traumjob in der anderen Stadt an?“ oder „Habe ich genug Zeit für die Kinder, wenn ich die Beförderung bekomme?“ stellen sich die meisten Paare gemeinsam. So nehmen Partner*innen wechselseitig Einfluss auf die jeweilige berufliche Entwicklung des anderen. Die gemeinsame Auseinandersetzung mit beruflichen Themen und das Teilen von Erfolgen und Misserfolgen begünstigen einen karrierebezogenen Vergleich zwischen den Partner*innen (Lockwood et al., 2004). Dies ist besonders relevant, wenn die individuelle Karriere einen hohen Stellenwert besitzt und erhebliche zeitliche oder finanzielle Investitionen getätigt werden, um beruflich voranzukommen (Pinkus et al., 2008).

Von der individuellen zur strukturellen Perspektive

Bisherige Forschung zu Karriereentwicklung hat sich primär auf die individuelle Ebene beschränkt (Zhu et al., 2021). Eine Paarperspektive in dieser Thematik einzunehmen ist allerdings unabdinglich, denn die Beziehungspartner beeinflussen einander hinsichtlich ihrer Einstellungen, Perspektiven, ihres Engagements und potenziell auch ihres Selbstbewusstseins in Bezug auf ihre Karriere (Bakker et al., 2009). Dieser Forschungslücke möchten wir in unserer Studie nachgehen. Eine weitere Besonderheit unserer Studie ist, dass wir eine geschlechterbasierte Perspektive einnehmen. Denn Männer und Frauen haben unterschiedliche Chancen auf dem Jobmarkt. Statistisch gesehen verdienen Frauen weniger, das bereinigte Gender Pay Gap beträgt 6 % (Moser & Kunze, 2024), und sind häufiger in Teilzeit tätig. Dieses Muster wird strukturell begünstigt, da das Ehegattensplitting ein Erwerbsmodell fördert, in dem eine Person deutlich mehr verdient als die andere (Spangenberg, 2017). Dies hat zur Folge, dass Frauen nach dem ersten Kind häufig in Teilzeit gehen. In Anbetracht dieser strukturellen Unterschiede, ist es besonders interessant zu sehen, ob und auf welche Weise diese sich auf heterosexuelle Doppelverdiener-Paare auswirken. 

Negative Auswirkungen auf Karriere und Partnerschaftszufriedenheit?

Wir wollen untersuchen, wie sich junge Doppelverdiener-Paare (Young Professionals) gegenseitig in Bezug auf Karriereengagement und Selbstbewusstsein beeinflussen. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob der unvermeidliche Vergleich mit dem Partner – angesichts der relativ besseren Karriereaussichten von Männern – negative Auswirkungen auf das karrierebezogene Selbstbewusstsein von Frauen hat. Die bisherigen Überlegungen sind, dass ein solcher Vergleich dazu führen könnte, dass geschlechtsbasierte Disparitäten auf dem Arbeitsmarkt deutlicher wahrgenommen werden und Frauen ihre eigenen Aufstiegsmöglichkeiten anzweifeln. Besonders wenn trotz gleicher oder höherer Anstrengungen weniger arbeitsbezogene Erfolge erzielt werden, könnte dies das Karriereengagement negativ beeinflussen.

Eine weitere Thematik, die in unserer laufenden Studie aufgegriffen wird, ist der Einfluss von Geschlechterrolleneinstellungen auf das Zusammenspiel zwischen Beziehung und Karriere. Wir möchten untersuchen, wie sich unterschiedliche Ausprägungen und Konstellationen von Geschlechterrolleneinstellungen innerhalb eines Paares auf die Wahrnehmung der Karriereverteilung und die Partnerschaftszufriedenheit auswirken. Unsere Annahme ist, dass Personen mit traditionelleren Geschlechterrolleneinstellungen die Karriere des Mannes priorisieren.

Kontext der Studie und Teilnahmemöglichkeit

Wir hoffen, mit dieser Studie einen differenzierten Blick auf die verschiedenen Faktoren zu erhalten, die Paare in ihrer Karriereentwicklung beeinflussen.  Die Untersuchung steht im Rahmeneines größeren deutsch-französischen Forschungsprojekts zu möglichen Ungleichheiten in heterosexuellen Paaren. Das Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und den französischen Agence nationale de la recherche (ANR) gefördert. Weitere Studien aus dem Forschungsprojekt umfassen Themen wie soziale Unterstützung und Arbeitsstress oder einen Vergleich von deutschen und französischen Geschlechternormen.

Um unsere Fragestellungen vertieft zu beleuchten und die Entwicklung der Karriere über einen längeren Zeitraum zu betrachten, haben wir eine Längsschnittstudie initiiert, in der berufstätige Paare zu vier Messzeitpunkten mit drei-monatigem Abstand hinsichtlich verschiedener arbeits- und beziehungsbezogener Themen befragt werden. Die Befragung findet online statt, die Teilnahme ist bis zum 01.10.2025 möglich.

Disclaimer: In unserer Studie werden nur heterosexuelle Paare befragt, da ein besonderer Fokus auf geschlechtsspezifischen Unterschieden im Kontext von Beziehung und Karriere liegt.

Literatur

Bakker, A. B., Westman, M., & van Emmerik, I. H. (2009). Advancements in crossover theory. Journal of Managerial Psychology, 24(3), 206-219. https://doi.org/10.1108/02683940910939304

Garbuszus, J. M., Ott, N., Pehle, S., & Werding, M. (2018). Wie hat sich die Einkommenssituation von Familien entwickelt. Ein neues Messkonzept. Gütersloh: Ruhr-Universität Bochum. https://doi.org/10.11586/2017050

Goldscheider, F., Bernhardt, E., & Lappegård, T. (2015). The gender revolution: A framework for understanding changing family and demographic behavior. Population and development review, 41(2), 207-239. https://doi.org/10.1111/j.1728-4457.2015.00045.x

Leonce, T. E. (2020). The inevitable rise in dual-income households and the intertemporal effects on labor markets. Compensation & Benefits Review, 52(2), 64-76. https://doi.org/10.1177/0886368719900032

Litano, M. L., & Major, D. A. (2016). Facilitating a whole-life approach to career development: The role of organizational leadership. Journal of Career Development, 43(1), 52-65. https://doi.org/10.1177/0894845315569303

Lockwood, P., Dolderman, D., Sadler, P., & Gerchak, E. (2004). Feeling better about doing worse: Social comparisons within romantic relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 87(1), 80. https://doi.org/10.1037/0022-3514.87.1.80

Lyonette, C., Kaufman, G., & Crompton, R. (2011). ‘We both need to work’ maternal employment, childcare and health care in Britain and the USA. Work, employment and society, 25(1), 34-50. http://dx.doi.org/10.1177/0950017010389243

Moser, S., & Kunze, F. (2024). Parität, Transparenz, Familienfreundlichkeit: Wie sich der Gender Pay Gap in Deutschland reduzieren ließe. Online verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-2-1xknzq9jascyj9 (letzter Zugriff: 18.02.2025).

Parasuraman, S., & Greenhaus, J. H. (2002). Toward reducing some critical gaps in work–family research. Human resource management review, 12(3), 299-312. http://dx.doi.org/10.1016/S1053-4822(02)00062-1

Pinkus, R. T., Lockwood, P., Schimmack, U., & Fournier, M. A. (2008). For better and for worse: Everyday social comparisons between romantic partners. Journal of Personality and Social Psychology, 95(5), 1180. http://dx.doi.org/10.1037/0022-3514.95.5.1180

Spangenberg, U. (2017). Das Ehegattensplitting. http://dx.doi.org/10.25595/1366

Zhu, D., Kim, P. B., Milne, S., & Park, I.-J. (2021). A meta-analysis of the antecedents of career commitment. Journal of Career Assessment, 29(3), 502-524. https://doi.org/10.1177/1069072720956983

Zitation: Sophia Hon, Rafail Dimopoulos: Wie beeinflussen Partner*innen die eigene Karriere? Neues Projekt gestartet, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 11.03.2025, www.gender-blog.de/beitrag/einfluss-von-parterinnen-auf-karriere/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20250311

Beitrag (ohne Headergrafik) lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz Creative Commons Lizenzvertrag

© Headergrafik: Rodrigo/stock.adobe.com

Sophia Hon

Sophia Hon ist Doktorandin am Lehrstuhl für Personal- und Organistionspychologie an der RWTH Aachen. Sie ist in einem deutsch-französischen DFG Projekt zum Thema "Couples lived (in)equalities at work and home" tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Paarforschung und soziale Unterstützung.

Zeige alle Beiträge

Rafail Dimopoulos

Rafail Dimopoulos ist Doktorand am Lehrstuhl für Personal- und Organisationspsychologie an der RWTH Aachen University. Er promoviert im DFG-Projekt „Couples lived (in)equalities at work and home”. Seine Forschungsschwerpunkt liegt hierbei auf der Untersuchung von Karrieren aus einer dyadischen Paarperspektive.

Zeige alle Beiträge

Kommentare

claudia Winter | 11.03.2025

Guten Tag,

ich bin irritiert über den Begriff "Doppelverdiener". Denn jede und jeder verdient nur für sich allein. Lediglich die staatliche Besteuerung greift in Ehe- und partnerschaftliche Gemeinschaften regulierend ein (Steuerklasse, Ehegattensplitting, Kindererziehungszeiten ...) Es steht doch allen frei, sich zusammen zu tun, gemeinsam zu wohnen, zu haushalten, Carsharing zu machen, wenn auch ohne steuerliche Bezuschussung. Wenn ich mich recht erinnere, haben die Nationalsozialisten in den 30er Jahren mit diesem Begriff operiert ...

Schreibe einen Kommentar (max. 2000 Zeichen)

Es sind max. 2000 Zeichen erlaubt.
Die E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Kommentare werden von der Redaktion geprüft und freigegeben.