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Headergrafik: Nachlass Fasia Jansen

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„Ich singe, um Mut zu machen!“ Die Sängerin Fasia Jansen

10. Januar 2023 Uta C. Schmidt

Am 29. Dezember 2022 erinnerten Menschen aus der Friedens- und Frauenbewegung, aus der afrodeutschen Community, aus Gewerkschaften, antifaschistischen, feministischen und postkolonialen Initiativen in Oberhausen an Fasia Jansen (1929–1997). Anlass war der 25. Todestag der Liedermacherin und Aktivistin. Fasia Jansen war eine der wichtigsten künstlerischen Stimmen der sozialen Bewegungen in Westdeutschland.

Hamburger Deern

Fasia Jansen wurde am 6. Juni 1929 als Tochter des Kinderfräuleins Elli Emma Anna Jansen und des liberianischen Generalkonsuls in Hamburg, Momulo Massaquoi, geboren. Ihr Vater leitete die erste diplomatische Vertretung des afrikanischen Kontinents in Europa, er kehrte 1929 nach Liberia zurück. Zu ihrem sozialen Vater wurde Albert Backlow. Als Kommunist und Internationalist war er davon überzeugt: Alle Menschen sind gleich. Den Eltern wurde vorgeschlagen, die Schwarze Tochter abzugeben und stattdessen ein weißes Kind aus den ehemaligen deutschen Kolonien anzunehmen (Achenbach 2004, S. 15). Ihr im Nationalsozialismus für junge Frauen vorgesehenes ‚Pflichtjahr‘ absolvierte Fasia Jansen in einer Küche, dort musste sie für Zwangsarbeiter und jüdische polnische Zwangsarbeiterinnen Essen kochen und austragen. Im Januar 1945 brach sie bei der Arbeit bewusstlos zusammen und wurde mit einer Herzmuskelentzündung in ein Krankenhaus eingeliefert. Ein Wiedergutmachungsantrag wegen „Schadens an Körper und Gesundheit“ wurde 1960 als „unbegründet“ zurückgewiesen, da sie eine speziell „rassische Verfolgung durch nat.-soz. Gewaltmaßnahmen“ nicht nachweisen konnte (Achenbach 2004, S. 47).

Ostermarschbewegung

Die Auseinandersetzungen mit der Remilitarisierung begannen in Westdeutschland bereits seit Ende der 1940er-Jahre. Doch schon bald gerieten die Proteste zwischen die Fronten des Kalten Krieges (vgl. Klönne 1987, S. 145). Es waren die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung, die Ohne-mich-Bewegung oder die Kampf-dem-Atomtod-Bewegung. Ab 1960 formierte sich das friedenspolitische Engagement in der Ostermarschbewegung: „Singen war immer da. Aber sichtbar geworden bin ich, so richtig sichtbar geworden bin ich bei den Ostermärschen,“ formulierte Fasia Jansen (Achenbach 2004, S. 79). Auf den Ostermärschen wurde unterwegs und an den Kundgebungsplätzen mobil musiziert und gemeinsam gesungen (vgl. Achenbach 2004, S. 83f.). Begleitet von Skiffle-Musik sang sie ihre Ostermarschlieder auf einem Jazzbeat (vgl. Bird 1958). Fasia Jansen steht mit ihrem Repertoire aus Folkmusik, Liedern des Widerstandes, der Bürgerrechts-, Gewerkschafts- und Arbeiter:innenbewegung für eine Redefinition des politischen Liedes nach der Zerschlagung emanzipatorischer Musiktraditionen durch den Nationalsozialismus (Schmidt 2022).

Die Stimme des Strukturwandels

In den 1980er-Jahren formierten sich im Ruhrgebiet allerorten Fraueninitiativen, die auf ihre Weise um Arbeitsplätze kämpften. In der Gesellschaft der Zeit war es umstritten, dass Frauen außerhalb der Werkstore „wild“ für eigene Arbeitsplätze und die der Männer mobilisierten, vorbei an der Gewerkschaft IG Metall. Fasia Jansen war mit ihrer Musik dabei, als in der Nacht zum 5. Februar 1981 sieben Frauen vor Tor 1 der Dortmunder Westfalenhütte in einen dreitägigen Hungerstreik traten, um für ein neues Stahlwerk zu kämpfen und Arbeitsplätze zu sichern (vgl. Walbersdorf/Schenkmann-Raguse 2004, S. 250ff.). Sie war dabei, als die Fraueninitiative Thyssen Schalker Verein muss weiterleben in Gelsenkirchen (vgl. Kaminski u. a. 2018) und die Hattinger Fraueninitiative gegen die Schließung der Henrichshütte – heute ein Industriedenkmal – mobilisierten (vgl. Senger 2018). Sie war dabei, als in Duisburg-Rheinhausen die Fraueninitiative mitkämpfte, um die Stilllegung des Stahlwerks abzuwenden (vgl. Chlebik 2004, S. 258).

Besondere Bekanntheit erhielten ihre Lieder Wir wollen gleiche Löhne, keiner schiebt uns weg oder In einer Dunkelkammer, mit denen sie die Arbeiterinnen der Gelsenkirchener Fotobetriebe Heinze bei ihrem Rechtsstreit um gleiche Löhne unterstützte (vgl. Kaiser 2018): „Die Foto-Heinze-Frauen/ die stehen nicht allein/ ihr Kampf der nutzt uns allen/ drum reihen wir uns ein“ (Achenbach 2004, S. 170). Am 9. September 1981 gewannen die „Heinze-Frauen“ in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht in Kassel – „ein Meilenstein für die Rechtssprechung im Kampf um den gleichen Lohn“ (vgl. Achenbach 2004, S. 169). Im kulturellen Gedächtnis an die Arbeitskämpfe im Ruhrgebiet hat Fasia Jansen mit ihrer Stimme, den Instrumenten und Liedtexten zum Mitsingen einen festen Platz.

Die Frauenfriedensbewegung

In den 1980er-Jahren formierte sich in West- und Ostdeutschland eine neue Frauenfriedensbewegung, bekannt als Frauen für den Frieden. Zur Halbzeit der 1976 ausgerufenen UNO-Dekade der Frau trafen sich in Kopenhagen Delegierte, um ein Aktionsprogramm zur Stärkung der Rechte der Frauen zu beschließen. Die Frauenfriedensbewegung organisierte im Sommer 1981 einen Frauenmarsch quer durch Europa von Kopenhagen nach Paris, marschierte 1982 von Berlin nach Wien, 1983 von Dortmund nach Brüssel. Fasia Jansen war als Aktivistin und Musikerin dabei (vgl. Diederich 2004, S. 200ff.). Erneut stellt sich angesichts ihres Engagements die Frage, welche Bedeutung Musik für die Vergemeinschaftung innerhalb der Bewegung spielte.

Ein Ehrensold für ihr Engagement

Auf Vorschlag der Gewerkschaftskolleginnen erhielt Fasia Jansen 1991 das Bundesverdienstkreuz, später vom Land NRW einen „Ehrensold“. 1996 wurde sie mit der Ehrennadel der Stadt Oberhausen geehrt (vgl. Achenbach 2004, S. 217f.). Fasia Jansen litt seit der Zeit in der KZ-Küche an Herzproblemen. Sie erkrankte an Brustkrebs. Am 29. Dezember 1997 starb Fasia Jansen in Oberhausen. Zu ihrer Beerdigung kamen mehr als 1.000 Menschen.

Blackness und Whiteness

Im Jahre 2020 begannen Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz im Rahmen einer künstlerischen Recherche-Residenz, sich aus eigener Schwarzer Positionierung mit Fasia Jansens zu beschäftigen (vgl. Biyaa/Mommertz 2021, S. 63-71). In den Überlieferungen einer weißen Frauen- und Friedensbewegung schien das Schwarzsein der Musikerin keine Rolle zu spielen. Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz nahmen Kontakt zur US-amerikanischen Historikerin Tina Campt auf, die Fasia Jansen 1992 für ihre Forschungen zu Schwarzen Deutschen während des Nationalsozialismus interviewt hatte (vgl. Campt 2004). Auf den Tonbandaufzeichnungen erzählt Fasia, dass sie ihre Tagebücher verbrannt hatte. Für Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz stellte sich die Frage: Wie sich einer Persönlichkeit nähern, wenn sie die Wege zur Rekonstruktion ihres Lebens bewusst zerstört? Ihre aus afrodeutscher Positionierung kritische Hinterfragung der hegemonialen Narrative zu Fasia Jansen führte auf Seiten der weißen Bewegungsgeschichte und bei Weggefährt:innen zu einer Befragung der eigen Erinnerung.

Weiße Erinnerungsstränge

Wissen und Erkenntnisinteressen sind situiert (vgl. Haraway 1988; Rüsen 1983, S. 25ff.) und Schwarzsein wird zugewiesen. Zudem macht es für eine Geschichtsschreibung einen Unterschied, ob wir mit jemanden auf der Straße singen, oder später Fragen zu einer Person stellen, die sich nur noch aus Überlieferungen rekonstruieren lässt. Haben wir – um mit Toni Morrison zu fragen – Fasias Schwarzem Körper nur „eine schattenlose Teilhaberschaft an dem dominierenden kulturellen Körper“(Morrison 1995, S. 31) zugestanden? Bildete das Milieu der Frauen- und Friedensbewegungen, der Streiks und Prozesse um gleichen Lohn für gleiche Arbeit den „dominierenden kulturellen Körper“? Mit ihrer Stimme hat Fasia Jansen diesen Bewegungen als widerständige kulturelle Körper Kraft und Ausdruck verliehen. Durch das Buch Fasia – Geliebte Rebellin zieht sich wie ein roter Faden die Befassung mit der Frage, was ihr Schwarzsein für sie und für uns bedeutete. Es gibt darin zwei beredte Stellen: Walter Korowski beschreibt, wie es als Mann war, mit Fasia ein Lokal zu betreten: „Augenblicklich wurde es still. Es war ganz klar, dass alle, die da waren, etwas Sexuelles dachten: Wo hat er die her? Wie geht es da ab. Das war einfach so in den fünfziger und sechziger Jahren“ (zit. n. Achenbach 2004, S. 268). Und Fasia Jansen erklärt: „Als ich wusste, was Sexualität ist, als ich meinen Körper gespürt habe, da war es verboten, eine schwarze Frau zu lieben. Und auch nach 1945: das steckte drin bei den Männern, dass es unmöglich ist, mit einer schwarzen Frau zu gehen, es sei denn, dass man sie eben mal so vernascht. Und da bin ich mir ein wenig zu schade gewesen, und habe mich also entschieden, so eine Art Liebe nicht zu leben“ (zit. n. Achenbach 2004, S. 269).

Literatur

Achenbach, Marina (2004), Fasia – Geliebte Rebellin, Oberhausen.

Biyaa, Princela/ Mommertz, Marny Garcia (2021), „Her name is Fasia: It’s a Vai name, you know? Wie Fasia Jansens Lebensabschnitte aus Schwarzen deutschen Perspektiven betrachtet werden können, in: Kluhs, Johanna-Yasirra/Rondonò, Aurora/Saavedra-Lara, Tanç, Nesrin (Hg.), Worauf wir uns beziehen können. Interkultur 2016-2021, Köln, S. 63-71.

Brian, Bird (1958), Skiffe: The story of folk-song with jazz beat. With a forew. by Lonnie Donegan (The king of skiffle), London.

Campt, Tina (2004), Other Germans: Black Germans and the Politics of Race, Gender and Memory in the Third Reich, Ann Arbor (University Michigan Press).

Chlebik, Irmgard (2004), Mit ihrem Herzen, in: Achenbach, Marina, Fasia – Geliebte Rebellin, Oberhausen, S. 258.

Diederich, Ellen (2004), Es ist also möglich, anders zu leben! Danke Fasia, in: Achenbach, Marina, Fasia – Geliebte Rebellin, Oberhausen, S. 200-219.

Dreier, Helke, Frauenfriedensbewegung nach 1945, Zugriff am 10.01.2023 unter https://addf-kassel.de/dossiers-und-links/dossiers/dossiers-themen/frauenfriedensbewegung-nach-1945/.

Haraway, Donna (1988), Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective, in: Feminist Studies 14/3, 575–599. https://doi.org/10.2307/3178066

Kaiser, Marianne (2018), Biografie Grete Prill, Zugriff am 10.01.2023 unter  www.frauenruhrgeschichte.de/frg_biografie/grete-prill.

Kaminski, Anneliese/Komosha, Roswitha/Trilling, Christel/Cornelisen-Wagner, Gina mit Unterstützung von Marianne Kaiser (2018), Die Fraueninitiative Thyssen Schalker Verein muss weiterleben, in: Der Schalker Verein. Arbeit und Leben in Bulmke-Hüllen, hg. v. ÖAG „Arbeit und Leben“ (DGB/VHS) in Kooperation mit dem Stadtteilbüro Südost und der lokalen aGEnda 21: aGEnda 21 – Büro in gemeinsamer Trägerschaft der Stadt Gelsenkirchen (Referat Umwelt) und des Ev. Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid – gemeinsam mit dem Förderverein Lokale Agenda 21 in Gelsenkirchen e.V., Projektleitung Brigitte Schneider, Gelsenkirchen, S. 219-231.

Klönne, Arnold (1987), Romantik und Protest in Trümmerstädten – Erinnerung an Jugendgruppen und Politik in den Nachkriegsjahren, in: Breyvogel, Wilfried/Krüger, Heinz-Hermann (Hg.), Land der Hoffung – Land der Krise. Jugendkulturen im Ruhrgebiet 1900-1987, Berlin, Bonn, S. 140-151.

Morrison, Toni (1995), Im Dunkeln spielen. Weiße Kultur und literarische Imagination, Reinbek b. Hamburg.

Rüsen, Jörn, Historische Vernunft(1983), Grundzüge einer Historik I: Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft, Göttingen.

Schmidt, Uta C. (2022), Biografie Fasia Jansen, Zugriff am 10.01.2023 unter https://www.frauenruhrgeschichte.de/frg_biografie/fasia-jansen/.

Senger, Ute (2018), Biografie Marga Wende, Zugriff am 10.01.2023 unter https://www.frauenruhrgeschichte.de/frg_biografie/marga-wende/.

Walbersdorf, Pat/ Schenkmann-Raguse, Rita (2004), An den Betriebstoren des Stahlwerks Hoesch in Dortmund, in: Achenbach, Marina, Fasia – Geliebte Rebellin, Oberhausen, S. 250-256.

Zitation: Uta C. Schmidt: „Ich singe, um Mut zu machen!“ Die Sängerin Fasia Jansen, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 10.01.2023, www.gender-blog.de/beitrag/fasia-jansen/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20230110

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Dr. Uta C. Schmidt

Historikerin und Kunsthistorikerin; Forschungen an den Schnittstellen von Raum, Wissen, Geschlecht und Macht; Publikationen zu Klöstern, Klanggeschichte und Geschichtskultur; wiss. Mitarbeiterin im Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW; Kuratorin im DA. Kunsthaus Kloster Gravenhorst; Mitherausgeberin von www.frauenruhrgeschichte.de.

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