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Debatte

Fußball als Männersport? Von Spieler*innen, Manager*innen und Zuschauer*innen

24. September 2019 Regina Weber

Fußball gilt allgemein als Männersport. Die Berichterstattung bezieht sich weitgehend auf spielende Männer, die wesentlichen Akteure in Vereinen und Verbänden sind Männer. Auch ein Großteil der Zuschauer*innen, insbesondere der sichtbare Teil, ist männlich. Sicherlich sind die Strukturen im Profi- und Amateursport nach wie vor von (heterosexuellen) Männern dominiert und geprägt. Dennoch ist Fußball kein Männersport, viele Beispiele und Personen zeigen das. Auch dieser Beitrag will einen Teil dazu leisten, die Sichtbarkeit von Frauen im Fußball zu erhöhen und gleichzeitig zeigen, welche Auswirkungen männliche Strukturen auf Frauen im Fußball – auf Spieler*innen, Funktionär*innen und Zuschauer*innen – haben.

Spieler*innen im mediatisierten Kapitalismus

Linda Gerner fasst in der ZEIT lapidar die Hindernisse zusammen, mit denen Spieler*innen von der Kreisliga bis zum WM-Finale kämpfen: Ignoranz, schlechte Ausstattung, platter Sexismus von Schiedsrichtern und nicht zuletzt immer wieder die hochgezogene Augenbraue und die Frage „DU spielst Fußball?“. Das deutsche Nationalteam wurde mit einem Werbespot vor der Weltmeisterschaft in Frankreich bekannt, in dem sie selbstironisch bekennen: „Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze“. So witzig der Spot ist, so deutlich zeigt er das Problem der Spieler*innen auf: Wie geht man damit um, dass man nicht ernst genommen wird mit allen Auswirkungen, die das im mediatisierten Kapitalismus hat? Es ist kein Zufall, dass dieser Werbespot nicht vom Deutschen Fußballbund (DFB) gemacht wurde, sondern vom Teamsponsor Commerzbank. Der Verband ist weit von einer feministischen Agenda entfernt und an verschiedenen Stellen in Konflikte mit Spieler*innen verstrickt, die einen solchen Spot eher höhnisch hätten erscheinen lassen.

Auch im Fußball wird die Geschlechterfrage über die Verteilung von Ressourcen ausgetragen. Das wichtigste Thema jenseits des Fußballplatzes war im vergangenen Sommer die Bezahlung von Spieler*innen. Die DFB-Frauen hätten beim Gewinn des diesjährigen Turniers 75.000 EUR Prämie bekommen. Klingt nach viel Geld – ist aber nur ein Bruchteil der 350.000 EUR, die den Männern 2018 zugestanden hätten. Für den Interimspräsidenten des DFB, Rainer Koch, ist das nur gerecht: „[A]ktuell ist es so, dass bei den Frauen bei weitem nicht die Erlöse erzielt werden können, die im Männerfußball realisiert werden", sagte er im ARD-Mittagsmagazin. Für die Spieler*innen zieht sich dieses Muster jedoch auch im alltäglichen Ligabetrieb durch und trägt dazu bei, dass fast alle parallel zu ihrem Profi-Alltag studieren, Ausbildungen machen oder teilweise – wie im bekannten Fall der ehemaligen Nationalspielerin Célia Šašić – ihre Karriere frühzeitig beenden.

Gender Pay Gap im Profifußball

28 Spieler*innen der US-amerikanischen Nationalmannschaft haben daher ihren Verband wegen Geschlechterdiskriminierung verklagt. Das Beispiel zeigt, dass auch sportlicher Erfolg nicht notwendigerweise etwas an der ungleichen Bezahlung ändert. Das Männerteam der Vereinigten Staaten ist notorisch erfolglos, während die Frauen als amtierende Weltmeister*innen und Rekordweltmeister*innen auf Platz 1 der Nationalteams stehen. Die Auseinandersetzung dauert derzeit an, sollten sich die Spieler*innen durchsetzen können, wäre dies sicher ein wichtiger Schritt im Hinblick auf mehr Gerechtigkeit und könnte auch auf andere Verbände ausstrahlen.

Dass es auch anders geht, zeigt das vor einiger Zeit öffentlich vieldiskutierte Beispiel Norwegen. Hier haben sich Spieler*innen und Verband darauf geeinigt, dass Spieler*innen beider Nationalteams gleich bezahlt werden – die höheren Erlöse aus dem Männerfußball werden umverteilt. Auch in Finnland gab es vor einigen Jahren eine Untersuchung der ungleichen Bezahlung durch die Ombudsstelle für Gleichstellung, damals wurde keine rechtlich unzulässige Diskriminierung festgestellt. Kürzlich gab der finnische Verband aber bekannt, dass Männer- und Frauenteams in Zukunft gleich behandelt werden. An dem Beispiel zeigt sich, dass die Verbände eine entscheidende Rolle spielen, und damit diejenigen, die als Funktionäre die Politik der Verbände prägen.

Manager*innen

Frauen spielen nicht nur Fußball, sondern sie sind auch als Funktionär*innen damit befasst, Strukturen zu schaffen. Dabei wird der Anteil von Frauen in den Entscheidungsgremien im europäischen Spitzenfußball auf unter 5 % geschätzt (Bradbury/Sterkenburg/Mignon 2014). Der deutsche Fußball ist dabei keine Ausnahme.

Wiederum zeigt Norwegen, dass es auch anders geht: Mit einer Frauenquote stellt der Verband sicher, dass mindestens zwei Frauen im Vorstand sitzen. Nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes der Funktionär*innen ist die Situation im dortigen Verband etwas besser, wie das bereits genannte Beispiel der gleichen Bezahlung von Nationalspielerinnen und -spielern zeigt. Der Journalist Ronny Blaschke beschreibt, wie die Situation im DFB ist: Eine Frau ist derzeit im Präsidium zu finden, Hannelore Ratzeburg, zuständig für Mädchen- und Frauenfußball. Als positives Gegenbeispiel wird immer wieder die einzige Aufsichtsratsvorsitzende eines Vereins in den ersten drei deutschen Ligen genannt: Sandra Schwedler vom FC St. Pauli. Allerdings verbringt sie auch einen großen Teil ihrer Medienarbeit damit, zu erklären, dass sie nicht „nur“ als Frau im Fußball sprechen möchte – sondern weil sie fachlich etwas zu den vielfältigen Themen der Profivereine beizutragen hat.

Trainer*innen

Diese schwierige Gratwanderung ist auch für Trainer*innen ein regelmäßig wiederkehrendes Thema. Einige Bekanntheit erlangte Imke Wübbenhorst, die als erste Frau ein Team der Fünften Liga der Männer trainierte und sich mit absurden Interviewfragen herumschlagen musste. Auch in der wohlwollenden Berichterstattung geht es vorwiegend um sie als Frau und wenig um ihre Leistungen als Trainerin. Auch die Verpflichtung der ehemaligen deutschen Nationalspielerin Inka Grings beim Viertligisten SV Straehlen war zunächst davon geprägt, dass sie die erste Frau ist, die auf dem Niveau eine Männermannschaft trainiert.

Das Beispiel zeigt die unterschiedliche Wertschätzung des Frauen- und Männersports überdeutlich: Die Nachricht, dass ein ehemaliger Nationalspieler ein Team der vierten Liga übernähme, wäre wohl untergegangen oder als Lokalkuriosität abgetan worden. Im Fall von Grings wurde es als großer Erfolg für die Trainerin bewertet. Gleichzeitig zeigt aber das Beispiel, dass im Laufe der Zeit ein Gewöhnungseffekt einsetzen kann: Die laufende Berichterstattung des – inzwischen abgestiegenen – SV Straehlen dreht sich nun vorwiegend um das Spiel und nicht mehr um die Trainerin.

Die Geschichte von Imke Wübbenhorst nahm dagegen ein anderes Ende. Sie beendete ihr Engagement nach wenigen Monaten, unter anderem wegen der „schlechten Arbeitsbedingungen“. Inwiefern ihr offensichtlicher und sarkastischer Umgang mit dummen Fragen zu diesem Ende beigetragen hat, bleibt spekulativ.

Fans

Zuletzt stellt sich die Frage nach den Geschlechterverhältnissen unter Fußballfans. Der Anteil von Frauen an Fußballfans lässt sich nur grob schätzen, da nicht eindeutig definiert ist, wer eigentlich Fußballfan ist: Jemand, die zu jedem Heimspiel im Stadion steht oder auch alle, die nur gelegentlich Ergebnisse im Internet verfolgen und hin und wieder mal die Sportschau einschalten? Die Wissenschaftlerinnen Stacey Pope (2010) und Svenja Mintert (2015) zitieren Schätzungen, nach denen der Anteil an Frauen in verschiedenen europäischen Ländern zwischen 10 und 30 Prozent liegt. Gleichzeitig wird ein steigender Anteil an Frauen im Stadion gern in Verbindung gesetzt mit dem Schlagwort „Feminisierung“ des Fußballs: Der Fußball, insbesondere der Stadionbesuch, soll weiblicher, bürgerlicher und angepasster werden – oder anders formuliert: leichter kommerziell verwertbar. Mit diesen Vorurteilen werden nicht zuletzt die Frauen, die sich aktiv in Fanszenen engagieren, immer wieder konfrontiert.

Die Fanrealität sieht anders aus. Wenig überraschend sind Frauen Fußballfans wie andere auch: Sie haben sehr unterschiedliche Arten, ihren Bezug zum Verein auszudrücken und gehen wegen des Sports ins Stadion. Oder gehen nicht ins Stadion, sondern schauen zu Hause, in der Kneipe oder mit Freund*innen. Das pan-europäische Ausstellungsprojekt fan.tastic.females zeigt in einem multimedialen Projekt die Realität von Frauen als Fußballfans – in ganz Europa. Ihr Fazit: Frauen sind ganz normale Fußballfans. 

In einem Aspekt unterscheidet sich das „Erlebnis Fußball“ für Frauen allerdings deutlich von dem ihrer männlichen Mitfans. Für regelmäßige Stadionbesucherinnen sind sexuelle Belästigungen und Übergriffe leider keine Ausnahme. Das Netzwerk Frauen im Fußball (F_in) beschäftigt sich daher regelmäßig intensiv mit der Frage, wie Vereine adäquat mit sexuellen Übergriffen umgehen und wie sie präventiv tätig werden können, etwa durch klare Botschaften und entsprechende Schulungen des Sicherheitspersonals. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Netzwerks in den ersten drei Ligen zeigt, dass der Bedarf der Vereine und Fanorganisationen nach wie vor sehr hoch ist und sich gesellschaftliche Verhältnisse auf allen Ebenen auch im Fußball wiederfinden.

Zum Weiterlesen

Die „Ersten“: 11Freunde.de mit einer Zusammenstellung von ersten Frauen im Fußball, als Trainerin, Spielerin einer Profi-Männermannschaft oder als Funktionärinnen.

Literatur

Bradbury, Steven; Sterkenburg, Jacco Van; Mignon, Patrick (2014). The glass ceiling in European football. Levels of representation of visible ethnic minorities and women in leadership positions, and the experiences of elite level ethnic minority coaches. Executive Summary. Fare network. https://www.kennisbanksportenbewegen.nl/?file=3770&m=1422883386&action=file.download.

Mintert, Svenja-Maria (2015). Football, Feminisation, Fans. Sociological Studies in a European Context. Diss. University of Copenhagen. https://nexs.ku.dk/english/calendar/archive/2015/phd_svenja-maria-mintert/.

Pope, Stacey (2011). 'Like pulling down Durham Cathedral and building a brothel': Women as 'new consumer' fans? International Review for the Sociology of Sport, 46(4), 471–487. https://doi.org/10.1177/1012690210384652

Zitation: Regina Weber: Fußball als Männersport? Von Spieler*innen, Manager*innen und Zuschauer*innen, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 24.09.2019, www.gender-blog.de/beitrag/fussball-spielerinnen/

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Dr. Regina Weber

Regina Weber ist Wissenschaftlerin an der Hochschule Rhein-Waal. Sie koordiniert dort das DFG-Projekt Der Identitätseffekt europäisierter Lebenswelten: Europäisch werden durch Fußball (EUFOOT). Weitere Informationen: www.eufoot.de und reginaweber.github.io.

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