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Interview

Geballte Kompetenz zur Gleichstellung in der Wissenschaft

10. Februar 2020 Sandra Beaufaÿs

Das CEWS (Center of Excellence Women and Science) wird 20 Jahre alt! Seit dem Jahr 2000 arbeitet das Kompetenzzentrum daran, mehr Geschlechtergerechtigkeit in die deutsche Wissenschafts- und Forschungslandschaft zu bringen, seit 2006 als Teil von GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Zum internationalen UN-Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft sprach Sandra Beaufaÿs mit der Leiterin Jutta Dalhoff über die feine Gratwanderung zwischen wissenschaftlicher Analyse und Politikberatung.

Was war der ursprüngliche Auslöser für die Gründung des CEWS?

Gegründet wurde das CEWS im September 2000. Das ging zurück auf eine Initiative der damaligen rot-grünen Koalition im Bund. In deren Koalitionsvereinbarungen stand, dass zum Zweck der Förderung von Frauen im Berufsleben Kompetenzzentren gegründet werden sollten. Davon waren wir eines, ein zweites war das Kompetenzzentrum Technik Diversity Chancengleichheit in Bielefeld. Das Projekt CEWS hat die damalige Gleichstellungsbeauftragte der Universität Bonn beantragt, Dr. Brigitte Mühlenbruch (Schmidt/Kortendiek 2016). Sie konnte dann auf dieser Grundlage der Anschubfinanzierung durch das BMBF die ersten Mitarbeiterinnen einstellen. Wir waren also von 2000 bis 2005 ein Drittmittelprojekt an der Universität Bonn.

Und Ihr Auftrag war...?

Wir sollten ein Kompetenzzentrum zur Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung aufbauen und haben von Anfang an auch zusätzliche Drittmittelprojekte eingeworben, mit denen wir zum Beispiel Programme aufgezogen oder große Konferenzen veranstaltet haben. Das erste große Programm war „Anstoß zum Aufstieg“, Berufungstrainings für angehende Professorinnen. Ein Erfolgsmodell insofern, als wir über fünf Jahre Seminare anbieten konnten, die über 700 Wissenschaftlerinnen erreicht haben. Es ging um ein Coaching innerhalb des Berufungsprozesses, das die Teilnehmerinnen bei der Bewerbungsunterlagenerstellung bis zur Berufungsverhandlung unterstützen sollte. Wir hatten aber nicht nur den Auftrag, diese Trainings durchzuführen, sondern auch Teams dafür auszubilden, die das dann übernehmen konnten. Daneben lief ein Qualitätsmanagement und zusätzlich wurden alle Teilnehmerinnen zu ihren Karriereverläufen befragt – das war der Forschungsanteil. Ein gutes Beispiel für die Verschränkung von Forschung mit Politikberatung. Der Deutsche Hochschulverband, als Interessensvertretung in diesem Feld, hat diese Trainings übernommen und führt sie bis heute durch.

Seither hat sich das CEWS weiterentwickelt. Wie sieht das Profil heute aus?

Wir leisten noch immer Forschung und Wissenstransfer zur Frage der Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft. Es ging von Anfang an darum, forschungsbasiertes Wissen für Akteur*innen in der Gleichstellungsarbeit in den wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Andrea Löther wurde für das Thema Gleichstellung in den Hochschulen eingestellt, ich war zuständig für die Chancengleichheitspolitik in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Inken Lind war damals explizit für die Gleichstellungsforschung eingestellt. Später dazu gekommen ist die juristische Kompetenz mit Nina Steinweg, die heute außerdem die Weiterentwicklung unseres webbasierten Wissenstransfers verantwortet. Nachhaltig entwickelt hat sich seit 2005 auch der Tätigkeitsbereich der Gleichstellungspolitik in der Wissenschaft im europäischen Kontext, den maßgeblich Anke Lipinsky aufgebaut hat. Andrea Usadel betreut von Anfang an unser Informationsmanagement. Damit sind hier nur die „altgedienten“ Mitarbeiter*innen benannt, das CEWS-Team zeichnet(e) sich insgesamt durch eine große Disziplin- und Kompetenzbreite aus. Die besondere Verschränkung von eigener Forschung, Wissenstransfer, (Politik-)Beratung und wissenschaftlichen Services – hat sich als eine gute Konstruktion erwiesen, die bis heute unser Alleinstellungsmerkmal ist.

Sie haben also nach den 5 Jahren Anschubfinanzierung vom BMBF kontinuierlich weitergearbeitet.

Ganz so leicht war das nicht. Wir mussten uns die ganze Zeit in regelmäßigen Abständen der Überprüfung stellen, weil es sonst nicht weitergegangen wäre. Die erste Evaluation erfolgte bereits nach zwei Jahren und wir hatten ein relativ hochrangig besetztes Kuratorium zu diesem Projekt, das uns teilweise malträtiert hat mit Auflagen. Als zusätzliche Störung kam 2002 die Befristungsgesetzgebung hinzu. Die kam bei uns auch zum Tragen, weil Andrea Löther und ich nach der Sechsjahres-Regel nicht mehr weiterbeschäftigt werden konnten, aufgrund vorangegangener Beschäftigungszeiten an anderen Hochschulen. Wir hatten also das Geld, aber die Universität Bonn wollte uns nicht weiterbeschäftigen – mit dem üblichen Argument, es bestehe das Risiko, dass wir uns einklagen.

Und was haben Sie dann gemacht?

Wir haben einen Verein gegründet und dieser Verein hat uns beide dann für die letzten drei Jahre des Projekts weiterbeschäftigt. Von Anfang an mussten wir dafür Sorge tragen, einen gangbaren Weg zur Verstetigung des CEWS zu finden. Gelungen ist dies schließlich durch die von der BLK beschlossene Integration des CEWS in ein außeruniversitäres Forschungsinstitut. Das war ein Fenster, das sich gerade öffnete, noch kurz vor Ende der Koalition. Wir sind dann 2006 mit allen Beschäftigten in das neue Institut gegangen und ich habe von Frau Mühlenbruch die Leitung übernommen.

Das CEWS ist auch in seiner Institutsverankerung durchaus drittmittelstark. Welche größeren Projekte – was Aufwand und Impact angeht – würden Sie besonders hervorheben?

Wir hatten gerade zum Zeitpunkt der Übernahme in das Institut ein sehr großes EU-Projekt. Das war der Aufbau der EPWS (European Platform of Women Scientists). Wir hatten den Auftrag, eine Interessenvertretung für Wissenschaftlerinnen direkt vor den Toren des Europaparlaments in Brüssel aufzubauen. Das haben wir auch geschafft – mit einem Büro in Brüssel und zeitweilig bis zu fünf Mitarbeiterinnen für fünf Jahre. Die haben dort ein Konstrukt eines demokratischen Abstimmungsprozederes aufgebaut, das die Meinungsbildung unter den Wissenschaftlerinnen in Europa institutionalisiert hat und in die europäische Forschungspolitik hineingetragen hat. Leider haben wir für die EPWS nach Auslaufen der europäischen Förderung keine Möglichkeit der Verstetigung gefunden.

Ist die dauerhafte Finanzierung solcher durch Drittmittelförderung angestoßener Projekte ein generelles Problem?

Ja, die zu geringe Nachhaltigkeit einer Reihe von Projekten, die wir im Laufe der Jahre eingeworben haben, wie der Aufbau von Datenbanken, Informationsportalen oder eben Interessensvertretungsstrukturen stellt ein grundsätzliches Problem in unserem Bereich dar.

Vielleicht wird Gleichstellung in der Wissenschaft ja auch als temporäres Projekt gedacht, das irgendwann abgeschlossen ist bzw. sein sollte?

Das Ende sehe ich da noch lange nicht gegeben. Es geht zu langsam voran. Nehmen wir die Professorinnen: Trotz aller Programme und Best Practice Beispiele sind die 0,8 % pro Jahr an Aufwuchs am Gesamtbestand der Professorinnen doch eindeutig zu wenig.

Was könnte der Grund dafür sein?

Meiner Meinung nach ist der Grund ganz klar im strukturellen Bereich gegeben. Alle Institutionen, die sich in den letzten 20 Jahren zu Frauenförderung in der Wissenschaft geäußert haben, sind relativ schnell auf den Punkt gekommen: Wir müssen die individuelle Förderung von Frauen mit strukturellen Veränderungen des Wissenschaftsbetriebs flankieren. Das kommt in jeder Empfehlung inzwischen an, viele nehmen auch das Wort Quote in den Mund, aber es ergibt sich nichts daraus. Es hat einfach keinerlei Konsequenzen für die jeweilige Einrichtung, wenn die selbst gesteckten Ziele nicht eingehalten werden. Deswegen ist meine Überzeugung: Nein, es ist noch nicht vorbei.

Setzt das CEWS hier mit seiner Politikberatung an?

Ich sitze seit 16 Jahren in entsprechenden Bundestagsanhörungen. Diese Kontinuität ist wichtig, sodass auch wirklich nachvollzogen werden kann, was ist denn jeweils passiert in den zumeist vier zurückliegenden Jahren, und auch um einordnen zu können, was eine Veränderung bedeutet. Das CEWS hat kontinuierlich die Förderpolitik mitverfolgt, Programme begleitend evaluiert und konnte auch immer dahingehend beraten, wie eine Weiterentwicklung aussehen sollte.

Haben Sie da Beispiele?

Das Professorinnen-Programm ist ein gutes Beispiel. Wir waren an der Konzeption und Weiterentwicklung dieses Programms beratend und evaluierend beteiligt. Die Ergebnisse einer kontinuierlichen Gleichstellungspolitik auf Länderebene kann man sehr gut im CEWS-Hochschulranking ablesen. Das ist ein Instrument, das von Andrea Löther geschaffen wurde. Es wird in der Hochschullandschaft genutzt und ist etabliert, obwohl es letztlich auch ‚nur’ zahlenmäßige Entwicklungen festhält und ins Verhältnis setzt, ähnlich wie der GWK-Bericht, zu dem das CEWS regelmäßig Sonderauswertungen beiträgt. Durch diese Art der kontinuierlichen, evidenzbasierten Beratung und die entsprechende Vernetzung und Gremienarbeit halten wir das Thema am Kochen. Das ist manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich. Mensch braucht eben einen langen Atem. Die synergetischen Kompetenzfelder, die wir Mitarbeiter*innen im CEWS entwickelt haben, stellen eine gemeinsame Leistung von uns allen dar. Ich hoffe, dass wir diese umfassende Expertise zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft solange in der bewährten Art einbringen können, bis dieses gesellschaftspolitische Ziel erreicht sein wird.

Literatur

Schmidt, Uta C. & Kortendiek, Beate (2016): „Erfolge sind nicht vererbbar, man muss sie immer wieder neu erringen.“ Interview mit Dr. Brigitte Mühlenbruch, Präsidentin der European Platform of Women Scientists EPWS. In Schmidt, Uta C. & Kortendiek, Beate (Hrsg.): Netzwerke. Im Schnittfeld von Organisation, Wissen und Geschlecht. Studien Netzwerk Frauen- und Geschlechterfroschung NRW, Nr. 23. Essen.

Zitation: im Interview mit Sandra Beaufaÿs: Geballte Kompetenz zur Gleichstellung in der Wissenschaft, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 10.02.2020, www.gender-blog.de/beitrag/kompetenz-gleichstellung-wissenschaft/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20200210

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Dr. Sandra Beaufaÿs

Sandra Beaufaÿs ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Wissenstransfer sowie bei den Themen Geschlechterverhältnisse in Wissenschaft, Professionen und Arbeitsorganisationen.

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Kommentare

Beate Kortendiek | 27.02.2020

Liebe Jutta Dalhoff und liebe CEWS-Kolleg_innen,

herzliche Glückwünsche zum zweiten runden Jubiläum! Das Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW weiß eure geballte Kompetenz sehr zu schätzen – sie ist ebenso notwendig wie unterstützend. Danke für den guten Wissenstransfer rund um die Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft und auch für die Initiativen und Energien, die vom CEWS ausgehen! Einfach wunderbar und klasse… Mit besten Grüßen, Beate Kortendiek

 

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