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Headergrafik: zappa04 - stock.adobe.com - Mirror Balls in front of the Asian Civilisations Museum, Empress Place, Singapore

Debatte

Können Museen integrativer Bestandteil von (feministischer) Außenpolitik sein?

07. Mai 2024 Neha Khetrapal

Museen haben sich seit ihrer Entstehung stets weiterentwickelt. Die heutige Museumslandschaft bietet verschiedenen Interessensgruppen vielfältige Anknüpfungspunkte. Für diejenigen, die sich mit Geschichte und Bildung befassen, erfüllen Museumsausstellungen eine wichtige pädagogische Rolle. Wer sich für Diplomatie und Politik interessiert, versteht Museen als einflussreiche Vermittler von ‚Soft Power‘ (Chia/Lim 2023). Dieser Beitrag soll dazu anregen, über die Bedeutung von Museen für diplomatische Beziehungen nachzudenken und diese Überlegungen im feministischen wissenschaftlichen Kontext zu verorten.

Die Bedeutung von Museen aus feministischer Perspektive

Das feministische Interesse an Museen liegt in ihrem Potenzial, Vergangenheit und Gegenwart auf inklusive Weise zu präsentieren und ein Gespür für nichtterritorial gebundene Kulturen zu vermitteln oder transnationale Identitäten zwischen Staaten und ihren Menschen zu stärken. Ersteres ist von besonderem Interesse für liberale Feminist*innen, die die Unterrepräsentanz von Frauen kritisieren und eine Reform sozio-politischer Institutionen fordern, die männliche Privilegien verkörpern. Eine inklusive Neuausrichtung der Museumslandschaft ist auch für Vertreter*innen eines transnationalen Feminismus interessant, die eine transnationale Solidarität zwischen Feminist*innen aus verschiedenen Teilen der Welt als Mittel zur Emanzipation der Frauen anstreben. Eine inklusive (feministische) Museumslandschaft (Panayot 2023) könnte daher museologische Strategien verfolgen, die marginalisierte und ungehörte Geschichten anhand mündlicher Überlieferungen darstellen und ein gemeinsames Vermächtnis präsentieren, das unterschiedliche (politische und ethnische) Identitäten zusammenführt.

Museen als Mittel politischer Verhandlungen

Ungeachtet der Verlockungen einer feministischen Ausrichtung der Museumslandschaft beklagen feministische Wissenschaftler*innen die Nutzung des Museumsbetriebes für staatliche Interessen – indem Nationalstaaten bspw. Ausstellungen und Museumsleihgaben nutzen, um Verhandlungswege offenzuhalten, wenn andere Strategien für politische Verhandlungen versagen (Kong 2018). Aus feministischer Sicht scheint es sinnvoller, für eine transformative Nutzung der Museumslandschaft einzutreten.

Die Leihgabe des Kyros-Zylinders, eines antiken persischen Kulturguts, durch das Britische Museum an Teheran etwa fand vor dem Hintergrund diplomatischer Spannungen zwischen dem Iran und dem Vereinigten Königreich statt (Museum Publicity 2010). Zu den Streitpunkten zwischen den beiden Ländern gehörten das iranische Atomprogramm und die Anschuldigungen gegenüber Großbritannien wegen einer vermeintlichen Beteiligung an den regierungskritischen Protesten, die 2009 im Iran aufkamen. Die Leihgabe trug dazu bei, Möglichkeiten für politische Verhandlungen in einem ansonsten angespannten politischen Umfeld zu eröffnen. Ein weiteres Beispiel ist die Leihgabe des Gemäldes Buste de Femme (Brad 2023) durch das Van Abbemuseum in Eindhoven an die Internationale Kunstakademie in Palästina zu einer Zeit, als die Niederlande Palästina nicht als unabhängigen Staat anerkannten. Die Leihgabe bot Palästina die Möglichkeit, sich als moderner Staat zu profilieren (Hoogwaerts 2016).

Jenseits politischer Verhandlungen

Während solche Fälle kulturellen Austausches als ‚Soft Interventions‘ bei diplomatischen Sackgassen oder Spannungen bewertet werden, vertreten feministische Wissenschaftler*innen die Ansicht, dass Museen im Mittelpunkt diplomatischer Bemühungen stehen sollten, um sicherzustellen, dass die Interessen und die Stimmen aller Menschen in wichtigen politischen Verhandlungsrunden vertreten sind. Ein Beispiel dafür sind die Community Access Galleries in Australien, in denen Bürgergruppen ihre eigenen Ausstellungen in Museen gestalten können (Witcomb 1997). Ein weiteres Beispiel ist die Einbindung von Personen, die nicht zur politischen Mitbestimmung berechtigt sind, wie z. B. Kinder und Jugendliche. Es geht hier also darum, die Beziehungen zwischen Publikum und Museum über die reine kuratorische Verwaltung hinaus zu festigen (Pruulmann-Vengerfeldt/Runnel 2018). Die Geschichten und das kulturelle Vermächtnis der Menschen auf diese Weise in den Mittelpunkt diplomatischer Bemühungen zu rücken, würde der Bevölkerung mehr Einfluss verschaffen. Der amtierende indische Premierminister Narendra Modi hat solche Ziele formuliert, indem er künftig bei der Verfolgung außenpolitischer Ziele den Schwerpunkt auf die gemeinsame Geschichte und Kultur legen will (Debates 2017).

Nichtstaatliche Akteur*innen als Wegbereiter*innen des Wandels

Spezielle museologische Methoden, wie eine gemeinschaftliche Gestaltung kulturübergreifender Ausstellungen, können dazu beitragen, den Kontakt zwischen den Menschen zu fördern. Die Ergänzung dieser Ausstellungen durch Leihgaben trägt ebenfalls zur Förderung eines gemeinsamen Verständnisses der Vergangenheit und zur Wahrung kultureller Vielfalt bei. Für feministische Wissenschaftler*innen ist die Organisation des kulturellen Austauschs zwischen Menschen und Museen als Selbstzweck von zentralem Interesse, nicht die Nutzung von Museen als Instrument zur bloßen Aufrechterhaltung diplomatischer Kanäle. Es geht vielmehr darum, Museen als Instrumente der ‚Soft Intervention‘ zu verstehen, die nicht nur dem Staat dienen, der dem Publikum lediglich die Rolle der passiv Zuschauenden zuweist (Carniel 2024). Feministische Wissenschaftler*innen und Forschende, die sich mit internationalen Beziehungen befassen, interessieren sich für die Frage, wie die Bevölkerung Einfluss auf staatliche Stellen nehmen kann, indem sie sich die Macht ihrer Kultur und ihres kulturellen Erbes zunutze macht. Es gibt daher auch eine kritische Sicht auf ‚Museen als Soft Power‘, da dieses verwobene Verständnis Kulturen und ihr Vermächtnis unter autoritative Kontrolle und in den Einflussbereich von Nationalstaaten stellt (Zaharna 2019).

Staatliche Akteur*innen, kulturelles Erbe und Außenpolitik

Die Einbeziehung der Menschen und ihrer Perspektiven auf ihr kulturelles Vermächtnis und ihre Alltagskultur steht auch im Einklang mit den Resolutionen der Charta der kulturellen Vielfalt des Internationalen Museumsrats. Eine dieser Resolutionen, die die Aufmerksamkeit des Museumswesens auf sich zieht, lautet:

To promote enabling and empowering frameworks for active inputs from all stakeholders, community groups, cultural institutions and official agencies through appropriate processes of consultation, negotiation and participation, ensuring the ownership of the processes as the defining element. (ICOM 2010: 4)

Ein Beispiel ist das Haus der Europäischen Geschichte, das einen länderübergreifenden Blick auf die europäische Geschichte wirft und dabei trennende Identitäten überwindet, gleichzeitig aber auch Raum für eine künftige Zusammenarbeit zwischen Menschen aus verschiedenen europäischen Staaten in enger Kooperation mit den Kurator*innen bietet. Ein weiteres Beispiel ist das Asian Civilisations Museum in Singapur, das in ähnlicher Weise das multiethnische Vermächtnis der Bevölkerungsgruppen darstellt, die das heutige Singapur ausmachen, mit dem Ziel, eine facettenreiche „singapurische Identität“ zu zeigen, in der jede ethnische Gruppe eine Rolle spielt. Außerdem bietet es ähnliche Möglichkeiten für eine künftige gemeinsame Gestaltung. Diese beiden Museen, die räumlich weit voneinander entfernt sind, können als Vorbild für eine friedliche Koexistenz bei gleichzeitiger Vielfalt dienen.

So können sowohl feministische Wissenschaftler*innen als auch Forschende im Bereich internationale Beziehungen in neue Dimensionen vorstoßen, wenn sie die beteiligungsorientierte Museologie in den Mittelpunkt der Diplomatie stellen – Dimensionen, die vom ‚kulturellen Frieden‘ abhängen.

Museologische Methoden und kulturelles Vermächtnis in der (feministischen) Außenpolitik

Die bisher dargelegten Argumente beziehen sich auf die Bedeutung von Kultur, von kulturellem Vermächtnis und von sozialen Praktiken für die Identitätsbildung. Diese Aspekte aus diplomatischen Bemühungen herauszuhalten oder sie nur als ‚Soft Tools‘ einzusetzen, kommt einer Trennung des privaten und alltäglichen Lebens vom politischen Handeln gleich. Eine solche Trennung birgt die Gefahr, dass Menschen, ihr kulturelles Erbe und ihre Traditionen ausgegrenzt werden. Den Museen der Zukunft kommt eine besondere Rolle bei der Überwindung dieser Kluft zu, indem sie das private, marginalisierte Kulturerbe, dem bislang kein Gehör geschenkt wurde, in den Blickpunkt rücken.

Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Röltgen.

Dank/Acknowledgement
Diese Arbeit wurde im Rahmen des O. P. Jindal Global University Forschungsprogramms gefördert (JGU/RGP/2023/008).
This work is supported by the O.P. Jindal Global University Research Grant, JGU/RGP/2023/008.

Literatur

Brad, Irvin (2023). Does the Empire have new clothes? Exploring the international strategies and work of
UK national museums. Dissertation, King's College London. Zugriff am 09.04.2024 unter https://kclpure.kcl.ac.uk/ws/portalfiles/portal/206116764/2023_Irwin_Brad_1354975_ethesis.pdf.

Carniel, Jessica (2024). Towards a theory of participatory diplomacy via the Eurovision Song Contest. Media, Culture & Society, Online First. https://doi.org/10.1177/01634437231224080

Chia, Jack M.-T. & Lim, Darryl K. (2024). Curating Buddhism, Fostering Diplomacy: The “Secrets of the Fallen Pagoda” Exhibition in Singapore. The Review of Faith & International Affairs, 22(1), 43–58. https://doi.org/10.1080/15570274.2023.2261713

Debates, Raisina (2017). The past in the present: Civilisational heritage and Indian soft power. Observer research Foundation. Zugriff am 09.04.2024 unter https://www.orfonline.org/expert-speak/the-past-in-the-present-civilisational-heritage-and-indian-soft-power.

International Council of Museums (ICOM) (2010). RESOLUTIONS ADOPTED BY ICOM’S 25TH GENERAL ASSEMBLY. Shanghai, China. Zugriff am 09.04.2024 unter https://icom.museum/wp-content/uploads/2018/07/ICOMs-Resolutions_2010_Eng.pdf.

Hoogwaerts, Leanne (2016). Museums, exchanges, and their contribution to Joseph Nye’s concept of ‘soft power’. Museum & Society, 14(2), 313–322. https://doi.org/10.29311/mas.v14i2.645

Kong, Da (2018). Diplomacy. The Contemporary Museum, 88–102. https://doi.org/10.4324/9780815364948-6

Museum Publicity (2010). The British Museum lends the Cyrus Cylinder to the National Museum of Iran September 2010, Zugriff am 09.04.2024 unter https://museumpublicity.com/2010/09/11/the-british-museum-lends-the-cyrus-cylinder-to-the-national-museum-of-iran.

Panayot, Nadine (2023). Gender diversity and inclusive representation as a means to decolonise museums. Gender & Development, 31(2–3), 495–514. https://doi.org/10.1080/13552074.2023.2259204

Pruulmann-Vengerfeldt, Pille, & Runnel, Pille (2018). The museum as an arena for cultural citizenship. The Routledge Handbook of Museums, Media and Communication, 143–158. https://doi.org/10.4324/9781315560168-12

Witcomb, Andrea (1997). On the Side of the Object: an Alternative Approach to Debates about Ideas, Objects and Museums. Museum Management and Curatorship, 16(4), 383–399. https://doi.org/10.1080/09647779700501604

Zaharna, Rhonda S. (2019). Culture, cultural diversity and humanity-centred diplomacies. The Hague Journal of Diplomacy, 14, 117–133. https://doi.org/10.1163/1871191X-14101018

Zerbe Enns, Carolyn; Díaz, Lillian C. & Bryant-Davis, Thema (2021). Transnational Feminist Theory and Practice: An Introduction. Women & Therapy, 44(1–2), 11–26. https://doi.org/10.1080/02703149.2020.1774997

Zitation: Neha Khetrapal: Können Museen integrativer Bestandteil von (feministischer) Außenpolitik sein?, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 07.05.2024, www.gender-blog.de/beitrag/museen-und-feministische-aussenpolitik/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20240507

Beitrag (ohne Headergrafik) lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz Creative Commons Lizenzvertrag

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Dr. Neha Khetrapal

Neha Khetrapal is an Associate Professor at the Jindal Institute of Behavioural Sciences (JIBS), which is a value-based research Institute of the O.P. Jindal Global University in India. Neha earned her terminal degree at Macquarie University (Australia) in 2016. She is very passionate about deciphering how the Feminist Foreign Policy would look like from the perspective of the Global South (India).

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