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Debatte

Rechtliche Klärung: Frauenbeauftragte, Stellvertreterin, Mitarbeiterin – wer darf was?

25. Februar 2020 Tessa Maria Hillermann

Die Frage, wer im Frauen- oder Gleichstellungsbüro eigentlich welche Aufgaben hat, führt oft zu Verwirrungen. Mögliche Akteurinnen sind die Gleichstellungsbeauftragte selbst, ihre Stellvertreterinnen, ihre Mitarbeiterinnen und zusätzliches Büropersonal. Das Verwaltungsgericht Saarlouis (2 K 208/18) hat dazu zumindest für das Landesgleichstellungsgesetz des Saarlandes (LGG) eine rechtlich nachvollziehbare Entscheidung getroffen, die auch über die Grenzen des Saarlandes hinaus durchaus hilfreich sein kann. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist noch nicht veröffentlicht. Die Berufung zum Oberverwaltungsgericht wurde zugelassen.

In der Amtsausübung behindert

In dem Verfahren sah sich die Frauenbeauftragte (im Folgenden wird einheitlich die saarländische Amtsbezeichnung „Frauenbeauftragte“ verwendet) in ihrer Amtsausübung behindert, weil die Mitarbeiterin nicht zu Dienstbesprechungen zugelassen wurde, an denen der Frauenbeauftragten selbst ein Teilnahmerecht zusteht. Sie berief sich unter anderem auf ihre Weisungsfreiheit, die in § 22 Abs. 5 LGG geregelt ist und führte aus, dass diese auch das Recht umfasse, die Mitarbeiterin in Besprechungen zu „schicken“, solange ihr die letzte Entscheidung obliege. Das Verwaltungsgericht nahm das zum Anlass, um das Verhältnis von Frauenbeauftragter zur Stellvertreterin und ihrer Mitarbeiterin nach dem saarländischen Landesgleichstellungsgesetz zu klären. Die Entscheidung nimmt Bezug auf zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster, die sich zuvor bereits mit der Frage beschäftigt hatten.

Abwesenheitsvertretung

Die Stellvertreterin ist nach dem saarländischen Landesgleichstellungsgesetz eine „Abwesenheitsvertretung“. Das Gesetz sagt jedoch nichts darüber aus, was „Abwesenheitsvertretung“ in diesem Sinne bedeutet. Auch andere Gesetze, wie zum Beispiel das Landesgleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen (siehe nur § 16 LGG Nordrhein-Westfalen), schweigen zu der Frage, wann die Stellvertreterin eigentlich tätig werden darf.

Das Verwaltungsgericht Saarlouis stellt klar, dass dieser Begriff weit zu verstehen ist und knüpft damit an eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, Beschluss vom 23.10.2019 - 6 B 1087/19 -, Rn. 9 an. Abwesenheit meint nicht nur, wenn die Frauenbeauftragte krankheitsbedingt oder urlaubsbedingt verhindert ist. Vielmehr ist sie auch dann abwesend, wenn „sie bestimmte Aufgaben wahrnimmt und damit für andere Aufgaben verhindert ist“. Vereinfacht gesagt: Abwesenheit betrifft auch Fälle der „dienstlichen“ Abwesenheit.

Alle Aufgaben dürfen aufgeteilt werden

Für Bundesländer, in denen das Landesgleichstellungsgesetz zu der rechtlichen Stellung und den Aufgaben der Stellvertreterinnen schweigt, hält das Verwaltungsgericht einen rechtlichen „Kniff“ bereit: Im Hinblick auf die Bestellung von Stellvertreterinnen regelt § 22 Abs. 3 Satz 6 LGG, dass in Dienststellen mir mehr als 1.000 Beschäftigten mindestens zwei Stellvertreterinnen zu bestellen sind. Eine ähnliche Formulierung, „mindestens eine Stellvertreterin“, enthält § 16 Landesgleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen.

Das Verwaltungsgericht Saarland folgert aus dieser Formulierung, dass alle Aufgaben der Frauenbeauftragten nach dem Landesgleichstellungsgesetz „durch sie selbst bzw. in Arbeitsteilung auch durch ihre Stellvertreterinnen wahrgenommen werden können und sollen.“ Alle Aufgaben der Frauenbeauftragten dürfen also untereinander aufgeteilt werden.

Der Gedanke, dass allein die Tatsache, dass Stellvertreterinnen zu bestellen sind, impliziert, dass diese die gleichen Aufgaben wie die Frauenbeauftragte selbst übernehmen können, kann auch für die Auslegung entsprechender Normen in anderen Bundesländern hilfreich sein, wo die Rechtstellung der Stellvertreterin nicht ausdrücklich geregelt ist.

Mitarbeiterinnen nur intern tätig

Nachdem das Verwaltungsgericht die Stellung der Stellvertreterin verdeutlicht hat, kommt es zur Stellung der Mitarbeiterin. Dort bezieht es sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahre 2012 (Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 A 2835/10) und ergänzt dieses.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte klargestellt, dass Mitarbeiterinnen der Gleichstellungsbeauftragten nach § 18 Abs. 3 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) nicht an deren Stelle an Bewerbungsgesprächen teilnehmen können. Das gelte auch, wenn die Frauenbeauftragte verhindert ist und auch keine Stellvertreterin tätig werden kann. Das ergibt sich für das Verwaltungsgericht daraus, dass das Landesgleichstellungsgesetz – anders als zum Beispiel §§ 29 Abs. 3 Satz 2, 26 Abs. 4 Satz 3 BGleiG – kein eigenes Teilnahmerecht der Mitarbeiterin für den Fall vorsieht, dass die Frauenbeauftragte selbst verhindert ist. In Bezug auf das saarländische Landesgleichstellungsgesetz stellt das Verwaltungsgericht Saarlouis fest, dass sie als notwendiges Personal rechtlich den „personellen Mitteln“ der Frauenbeauftragten im Sinne von § 22 Abs. 5 Satz 3 LGG in Verbindung mit § 22 Abs. 7 Satz 4 LGG zuzuordnen ist.

Das Verwaltungsgericht stellt damit klar, dass sich die Stellvertreterin dadurch auszeichnet, dass sie extern des Büros der Frauenbeauftragten eigenständig tätig werden darf, während die Mitarbeiterin dem Büro der Frauenbeauftragten zuzuordnen ist und daher nur intern tätig wird.

Unterschiedliche Ausgestaltung

Beispielhaft führt das Gericht „u.a. Vorbereitung und Bearbeitung von Vorgängen sowie des Posteingangs und Postausgangs, Protokollführung bei Tagungen und Besprechungen“ auf. Während also die Mitarbeiterin eher eine „unterstützende“ Tätigkeit wahrnimmt, können die vom Landesgleichstellungsgesetz der Frauenbeauftragten übertragenen Aufgaben von ihr selbst oder ihren Stellvertreterinnen wahrgenommen werden.

Für die Teilnahme an Besprechungen bedeutet das konkret, dass die Mitarbeiterin nicht anstelle der Frauenbeauftragten teilnehmen darf. Möglich bleibt allerdings, dass die Mitarbeiterin in deren Begleitung teilnimmt oder dass sie etwa in solchen Fällen teilnimmt, in denen eine Teilnahme der Frauenbeauftragten an sich rechtlich nicht gefordert ist, aber alle Parteien damit einverstanden sind, dass eine Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten bei der Besprechung anwesend ist. Sie darf aber auch in diesen Fällen keine Empfehlungen oder Stellungnahmen im Namen des Frauenbüros abgeben.

Insgesamt stützt das Verwaltungsgericht diese rechtliche Bewertung auch auf die Gesetzeshistorie und die Gesetzesmaterialien (und zitiert die Landtagsdrucksache 15/1282, S. 42). Der Gesetzgeber habe im Rahmen der Novellierung 2015 die Rechtstellung der Stellvertreterin bewusst erneuert, die Stellung der Mitarbeiterin aber so belassen. Daraus ergebe sich, dass dem Gesetzgeber gezielt an einer unterschiedlichen Ausgestaltung gelegen ist.

Handlungsfähigkeit herstellen

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts lassen dennoch auch Platz für Kritik. In Bezug auf die Stellvertreterinnen erkennt es an, dass das Gesetz bei Dienststellen mit mehr als 1.000 Beschäftigten durch die Formulierung „mindestens zwei Stellvertreterinnen“ ermöglicht, dass auch mehr Stellvertreterinnen ernannt werden können. Es geht aber nicht so weit, dass es einen Anspruch der Frauenbeauftragten auf die Bestellung weiterer Stellvertreterinnen entwickelt. Vielmehr verweist das Verwaltungsgericht die Frauenbeauftragte darauf, dass sie „im Rahmen ihres Vorschlagsrechts nach § 22 Abs. 3 Satz 3 LGG aber auf eine Verbesserung dringen“ kann oder eine weitere Stellvertreterin bestellt werden könnte.

Rechtlich gesehen ist vor dem Hintergrund der Umsetzung des Gesetzesziels in § 1 Abs. 1 Landesgleichstellungsgesetz, das gerade die tatsächliche Durchsetzung von Gleichberechtigung erreichen will, durchaus eine andere Lesart des Gesetzes denkbar. Nicht zuletzt Art. 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz fordert von der Dienststelle, die Frauenbeauftragte „handlungsfähig“ zu machen. Daraus ergibt sich dann auch eine Verpflichtung der Dienststellenleitung, weitere Stellvertreterinnen zu bestellen, wenn nur so eine ordnungsgemäße Umsetzung des Gesetzes möglich ist.

Das Verhältnis zwischen der Frauenbeauftragten und ihrer Stellvertreterin bildlich dargestellt.

Landesgesetze genau studieren

Sollte es in der Dienststelle zu Streitigkeiten in Bezug auf die Aufgaben, Rechte und Pflichten von Personal im Frauen- oder Gleichstellungsbüro kommen, gilt es, die Normen und den Zusammenhang der jeweiligen Landesgleichstellungsgesetze genau zu studieren.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Saarlouis hat – wie so oft im Gleichstellungsrecht – deutlich gemacht, dass entsprechende Regelungen im Bundesgleichstellungsgesetz nicht einfach so herangezogen werden können. Als „Faustregel“ kann gelten: Frauenbeauftragte und Stellvertreterin arbeiten „auf Augenhöhe“ mit anderen Akteurinnen und Akteuren der Dienststelle zusammen, die Mitarbeiterin und zusätzliches Personal arbeiten der Frauenbeauftragten und ihren Stellvertreterinnen dagegen intern zu. Das bedeutet aber nicht, dass die Mitarbeiterin weniger wichtig wäre. Im Gegenteil trägt sie, zum Beispiel durch inhaltliche Vorbereitungen von Besprechungen und Gleichstellungsplänen, maßgeblich zu einer gelungenen Gleichstellungspolitik in der Dienststelle bei.

Um auf personelle „Engpässe“ der Frauenbeauftragten in den sehr verschiedenen Dienststellen besser reagieren zu können, könnten die Landesgesetzgeber künftig bei einer gesetzlichen Zuordnung einer Mitarbeiterin zur Frauenbeauftragten durch die Einfügung der Formulierung „mindestens einer Mitarbeiterin“ eine gewisse Flexibilität in der Anwendung schaffen.

Zitation: Tessa Maria Hillermann: Rechtliche Klärung: Frauenbeauftragte, Stellvertreterin, Mitarbeiterin – wer darf was?, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 25.02.2020, www.gender-blog.de/beitrag/rechtliche-klaerung-frauenbeauftragte/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20200225

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Dr. Tessa Maria Hillermann

Dr. iur. Tessa Hillermann ist Volljuristin. Tätigkeitsschwerpunkte sind Umweltrecht und Gleichstellungsrecht des öffentlichen Dienstes.

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