09. Januar 2024 Petra Nabinger Anne Schlüter
Der Akademikerinnenbund (DAB) ist ein traditioneller Frauenverband, der 2026 hundert Jahre besteht. Frauenförderung war und ist sein Ziel. Dafür sorgen seine aktiven Mitglieder auf vielfältige Weise. Eine Strategie ist das Angebot einer Digital Lounge, in der Mitglieder und vom DAB geförderte Promovendinnen ihre Themen zur Diskussion stellen. Auf solch einer Digital Lounge sah und hörte ich Petra Nabinger, Autorin der Bücher Erfolgreiche Frauen im Porträt, Kreative Frauen im Porträt und Die Quotenfrau. Sie stellte in der Lounge ihr Buch Wie uns Vielfalt bereichert vor und brachte für die Präsentation einige der im Buch porträtierten Frauen mit, sodass ein sehr lebendiges Bild der Vielfalt aufgrund der Herkunft und der Berufe entstand.
Nach dieser Digital Lounge bestellte ich weitere Bücher von ihr. Beeindruckt hatte mich der zugrundeliegende Fragenkatalog, der Fragen enthält nach dem Heimatland, nach Integration, nach dem Lebensmotto, nach schönen Erlebnissen, Niederlagen und danach, ob die Frauen Vorbilder hatten. Das Thema „Vorbilder“ interessierte mich und so entstand das Interview.
Anne Schlüter: Sie fragen in ihren Porträtsammlungen nach Vorbildern für die Lebens- und Berufswege von Frauen. Welche Funktionen haben Vorbilder für Karrieren von Frauen?
Petra Nabinger: Vorbilder gehören zu den drei größten Erfolgsfaktoren für weibliche Führungskräfte. Christiane Flüter-Hofmann, eine Projektleiterin für den Bereich „Betriebliche Personalpolitik“ am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, hat dazu geforscht. Sie hat darauf verwiesen, dass weibliche Vorbilder Frauen dazu ermutigen, Karriere zu machen. Auch Isabella Ackerl hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, indem sie das Buch Mutige Frauen schrieb. Auch sie hat Frauen porträtiert und damit klargemacht, dass nicht nur Männer Forscher und Entdecker sein können. Dies sind nur zwei Beispiele, die auf die große Bedeutung von Vorbildern hinweisen. Übrigens denke ich, dass uns solche Role Models auch unbewusst beeinflussen können. Auf jeden Fall ist die Tatsache, dass junge Menschen Vorbilder brauchen und auch suchen, für mich der Ansporn, diese gerade für junge Frauen sichtbar zu machen.
Welchen Stellenwert haben Vorbilder zum Beispiel für das Gewordensein der porträtierten Frauen in Ihren Büchern?
Die kreativen Frauen beantworten die Frage nach dem Vorbild oder nach Vorbildern recht unterschiedlich. Manche sind sich ihrer Vorbilder nicht bewusst oder haben tatsächlich nicht das eine große Vorbild. Sie geben zum Beispiel an, dass sie sich immer wieder auch von verschiedenen Menschen inspirieren lassen. Bei anderen ist es ein Familienmitglied, wie die Großmutter, die eine Vorbildrolle spielt, weil sie es schaffte, eine große innere Stärke zu bewahren angesichts widrigster Umstände. Damit beeinflusste sie auch das Leben der Enkelin, die sich in schwierigen Situationen an deren Stärke erinnerte. Die Theaterregisseurin Barbara Wachendorff nennt mehrere beeindruckende Vorbilder, unter anderen Rolf Emmerich aus Köln, der seinen Beamtenjob an den Nagel hängte, um ein Festival aufzubauen. Sie appelliert an die Leser:innen, dass es dringend notwendig sei, dass Menschen sich idealistisch und persönlich für soziale, ökologische und ästhetische Belange einsetzen. Und wenn ich mir so das Wirken dieser Theaterregisseurin anschaue, stelle ich fest, dass sie genau nach diesem Vorbild und Anspruch handelt. Sie realisiert Projekte und Theaterstücke mit Menschen, die geflüchtet sind, mit Menschen, die an Demenz erkrankt oder suchtkrank sind. Insofern spiegelt ihr Wirken den Stellenwert ihrer Vorbilder wider. Ich besuche übrigens immer wieder gerne ihre außergewöhnlichen Kulturangebote.
In ihrem Buch „Die Quotenfrau“ packen Sie ein seit Jahrzehnten immer wieder heiß diskutiertes Thema an. Quotierung ist ein politisches Instrument, das allerdings nur funktioniert, wenn die Verhältnisse und Bedingungen für Karrieren in Betrieben als veränderungsbedürftig gesehen werden. Abwehrreaktionen müssen verstanden und überwunden werden. Dafür sind einerseits männliche Unterstützer notwendig und andererseits braucht es die Auseinandersetzung mit Machtspielen. Was hilft dabei?
Das Thema ist insgesamt sehr komplex. Deshalb gibt es dafür auch nicht die eine gute Lösung, sondern ein Zusammenspiel von zahlreichen Maßnahmen, die auf positive Rahmenbedingungen für weibliche Nachwuchskräfte und eine Veränderung der Unternehmenskultur abzielen. Weil die Unterstützung von Männern hier zwingend erforderlich ist, war es mir bei diesem Buchprojekt sehr wichtig, möglichst viele Männer zu Wort kommen zu lassen. Und auf die Männerquote von 35 Prozent in diesem Buch bin ich auch sehr stolz.
So erklärt einer der Protagonisten, was es mit diesem Abwehrmechanismus von Männern auf sich hat. Andere Mitwirkende betonen, wie wichtig es ist, dass in Vorstands- bzw. Entscheidungsgremien mindestens 30 Prozent Frauen vertreten sind, damit diese auch wahrgenommen werden. Eine Aufsichtsrätin spricht ganz klar davon, dass mehr Frauen im Management eine Risikoreduzierung bewirken. Jedenfalls ist es mit diesem Buch über Quotenfrauen gelungen, eine Perspektivenvielfalt zu diesem Thema zusammenzubringen, was mir viele Leser:innen lobend zurückspiegeln.
Und um die Perspektivenvielfalt auch in Machtpositionen zu erreichen, ist es erforderlich, Vorbilder zu Wort kommen zu lassen. Sie können Tipps geben, wie sie zum Beispiel Hürden auf dem Karriereweg überwinden konnten oder wie frau mit Machtspielen umgehen kann. So finde ich es besonders bemerkenswert, was die Präsidentin der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Susanne Menzel-Riedl, im Buch Die Quotenfrau über ihre Anfangszeit in ihrem Amt berichtet. Mit großer Offenheit spricht sie über ihre persönlichen Erfahrungen und spricht selbst Empfehlungen für junge Frauen aus.
Das Buch „Die Quotenfrau“ ist 2021 erschienen, gab es in der Zwischenzeit eine Entwicklung, die man als Veränderung zu mehr Geschlechtergerechtigkeit deuten kann?
Die Entwicklungen sind zumindest in dem Bereich, wo ich arbeite – der Finanzbranche –, sehr langsam. Die Führungspositionen-Gesetze I und II haben zumindest in den Aufsichts- und Vorstandsgremien der DAX-Unternehmen zu mehr Perspektivenvielfalt geführt. Leider wirken diese Gesetze jedoch nicht in die Finanzwirtschaft hinein, sodass hier die Zahlen weiterhin sehr ernüchternd sind. Aufgrund dieses Schneckentempos auf dem Weg zur Parität in Machtpositionen habe ich nun mein aktuelles Buchprojekt gestartet. Hier werden Role Models der Finanzbranche vorgestellt. Denn davon gibt es leider bisher nur sehr wenige. Glücklicherweise habe ich zahlreiche Frauen in Spitzenpositionen finden können, die sich sehr gerne für dieses Projekt porträtieren lassen. Sie dürfen gespannt sein!
Literatur
Petra Nabinger (2018): Erfolgreiche Frauen im Porträt. Bad Dürkheim: Littera.
Petra Nabinger (2019): Kreative Frauen im Portrait. Mit Leidenschaft zum Erfolg. Bad Dürkheim: Littera.
Petra Nabinger (2020): Wie uns Vielfalt bereichert. Zehn Frauenporträts. Bad Dürkheim: Littera.
Petra Nabinger (2021): Die Quotenfrau. Expert*innen beziehen Position zur Frauenquote und der Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland. Bad Dürkheim: Littera.
Zitation: Petra Nabinger im Interview mit Anne Schlüter: Vorbilder für Führungskräfte, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 09.01.2024, www.gender-blog.de/beitrag/vorbilder-fuer-fuehrungskraefte/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20240109
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Kommentare
Manuela Queitsch | 09.01.2024
Ein wunderbarer Artikel. Danke.
Manuela Queitsch
Annette Mörchen | 14.01.2024
Danke für ein sehr gutes und spannendes Interview. Es macht an konkreten Beispielen deutlich: Vorbilder, die vorleben, dass und wie etwas in bestimmten Situationen gelingen kann, haben eine viel nachhaltigere Wirkung als alles "Predigen" haben kann. Danke an alle Vorbilder für Ermutigung und Inspiration.