Skip to main content
Headergrafik: Ausschnitt Bleistiftzeichnung Rosa Luxemburg, Abb. privat

Gesehen Gehört Gelesen

Protagonistinnen der Frauenbewegung – das neue Nachschlagewerk

18. April 2019 Sabine Hering

Seit 2000 ist er eine „Institution“. 19 Jahre ist es nun her, dass Gisela Notz unter dem Titel „Wegbereiterinnen“ damit begonnen hat, berühmte ebenso wie vergessene Frauen aus der Geschichte der Frauenbewegung in einem Kalender vorzustellen und damit bekannt(er) zu machen. Die Würdigung der Frauen, die Gisela Notz in den 19 von ihr herausgegebenen Kalendern monatlich mit einem Bild und einer Kurzbiografie vorgestellt hat, konnte immer wieder dazu beitragen, auch die unbekannteren Persönlichkeiten aus der Ahnengalerie der Frauenbewegung einem relativ breiten Publikum nahezubringen.

Aus den Kalendern wird ein Nachschlagewerk

Auf diese Weise sind im Laufe der Jahre fast 200 Porträts zusammengekommen, die jetzt in dem Band „Wegbereiterinnen“ zusammengefasst und durch weitere biografische Beiträge ergänzt worden sind. „Der Kreis der Portraits, die in dem Kalender erschienen sind, wurde erweitert durch Gewerkschafterinnen, Wissenschaftlerinnen, Sozialarbeiterinnen, Pädagoginnen, Architektinnen, Fotografinnen, Tänzerinnen, Schauspielerinnen, Künstlerinnen, Pazifistinnen, Schriftstellerinnen, Anarchistinnen, Freidenkerinnen, Widerstandskämpferinnen“, so Gisela Notz im Vorwort (S. 5).

Das Buch bietet neben der chronologischen Anordnung der Porträts nach Geburtsdatum (die Älteste, Olympe de Gouge, wurde 1748 geboren, die Jüngste, Elsa Claudera de Bravo, 1922) ein überaus nützliches Schlagwort- und Namensverzeichnis. Dazwischen, sorgfältig geordnet, nahezu 300 bekannte und unbekannte Protagonistinnen, die fast ausschließlich dem linken oder bürgerlich radikalen Flügel der Frauenbewegung zugeordnet werden können. Notz weicht also ganz bewusst davon ab, das gesamte Spektrum der frauenpolitischen Orientierungen abzubilden.

Drei Beispiele

Im Folgenden greife ich drei ganz unterschiedliche Biografien von Frauen heraus, die alle 1919 gestorben sind – und deren Tod sich damit in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. Im Rahmen dieses Spektrums ist unter anderem der von Gilla Dölle verfasste Beitrag über Hedwig Dohm (1831–1919) zu erwähnen, nicht nur, weil Dohm mit ihren kämpferischen Schriften wesentlich dazu beigetragen hat, in Deutschland das Frauenstimmrecht durchzusetzen, sondern auch deshalb, weil – wie bereits erwähnt – in diesem Jahr ihr 100. Todestag ansteht.

Lesenswert ist auch der von Gisela Notz selbst verfasste Beitrag über Rosa Luxemburg (1871–1919), deren gewaltsamer Tod sich ebenfalls in diesem Januar zum 100. Mal gejährt hat. Luxemburg hat sich zwar nicht selber der Frauenbewegung zugeordnet, hat aber durch ihre spektakulären Auftritte und ihre bis heute wegweisenden theoretischen Schriften dazu beigetragen, der Bedeutung von Frauen in Wissenschaft und Politik Gewicht zu verleihen.

Last, but not least starb auch die 1870 geborene Paula Thiede 1919. Gisela Notz würdigt sie als eine der ersten Gewerkschafterinnen, die sich aktiv um die Belange von Frauen in den Betrieben gekümmert hat. Unter dem Kampfruf „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“ sprach sie am 19. März 1911 auf der ersten Frauentagsveranstaltung in Berlin, einer Demonstration, die durch Thiedes Mitwirkung 1910 auf der Zweiten Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen in Kopenhagen beschlossen worden war und die inzwischen in Berlin als Internationaler Frauentag am 8. März zum allgemeinen Feiertag erklärt worden ist – vielleicht zukünftig auch in anderen Bundesländern.

Ein Nachschlagewerk für die Zukunft

Viele bekannte Autorinnen – wie z. B. Claudia von Gelieu, Maria S. Rerrich, Christl Wickert und Cornelia Wenzel – haben dazu beigetragen, dieses ansehnliche Nachschlagewerk auf den Markt zu bringen. Der Herausgeberin, Gisela Notz, liegt viel daran, mit dem Buch auch politische Zeichen zu setzen:  „Wir müssen dafür kämpfen, dass das Erreichte nicht zurückgedreht wird. In einer Zeit, in der die politische Landschaft sich rasend schnell verändert, müssen wir auf der Hut sein und weiterkämpfen. Denn wir wollen noch immer – wie es am jährlichen Internationalen Frauentag alle Frauen dieser Welt fordern – das ganze Leben: Brot und Rosen“ (S. 7). Deshalb wird es im kommenden Jahr wieder einen Wandkalender mit „Wegbereiterinnen“ geben, auf den wir uns jetzt schon freuen können.

Literatur

Notz, Gisela (Hrsg.). (2018). Wegbereiterinnen. Berühmte, bekannte und zu Unrecht vergessene Frauen aus der Geschichte. Neu-Ulm: AG SPAK Bücher, 427 Seiten, ISBN 978-3-945959-27-5, 19,80 Euro.

Zitation: Sabine Hering: Protagonistinnen der Frauenbewegung – das neue Nachschlagewerk, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 18.04.2019, www.gender-blog.de/beitrag/wegbereiterinnen-frauenbewegung/

Beitrag (ohne Headergrafik) lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz Creative Commons Lizenzvertrag

© Headergrafik: Ausschnitt Bleistiftzeichnung Rosa Luxemburg, Abb. privat

Prof. Sabine Hering

Von 1993 bis 2012 Netzwerkprofessorin Sozialpädagogik/ Genderforschung/ Wohlfahrtsgeschichte an der Universität Siegen; Sprecherin des Zentrums für Gender-Studies (Gestu-S); Beirätin im Digitalen Deutschen Frauenarchiv (DDF), Mitglied des 'Frauenwahllokal' Potsdam (Marie-Juchacz-Preis 2019).

Zeige alle Beiträge
Netzwerk-Profil Prof. Sabine Hering

Schreibe einen Kommentar (max. 2000 Zeichen)

Es sind max. 2000 Zeichen erlaubt.
Die E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Kommentare werden von der Redaktion geprüft und freigegeben.