Skip to main content
Headergrafik: Daniela Flörsheim/"Freundinnen"

Gesehen Gehört Gelesen

Beste Freundinnen?! Zur Geschichte der Frauenfreundschaft – eine Ausstellung

24. Juli 2018 Jenny Bünnig

„Freundinnen … stehen zusammen; vertrauen sich; unterstützen sich gegenseitig; passen aufeinander auf; feiern, lachen, streiten!“ Diese und andere Kommentare haben Besucher*innen des Frauenmuseums Bonn auf einem Streifenplakat zusammengetragen und sind damit der Aufforderung der Organisatorinnen gefolgt, aufzuschreiben, was sie mit Freundinnen verbinden. Das Plakat ist Teil der Ausstellung Freundinnen – vom romantischen Salon zu Netzwerken heute, die hier vom 18. Februar bis zum 16. September 2018 zu sehen ist und in deren Mittelpunkt Frauenfreundschaften stehen. Über Infotafeln, Kunstwerke, das Video Freundinnen & andere Monster sowie persönliche Gegenstände, wie z. B. Poesiealben, werden verschiedene Zugänge zum Thema geschaffen. So soll eine Annäherung an die Frage stattfinden: Was ist eigentlich (Frauen-)Freundschaft?

Freundinnen – ein historischer Blick

Heute gibt es Freundinnenabende, es gibt Serien und Filme, in denen Freundschaftsbande die Familienbande abgelöst haben, über Facebook und Co. können wir mit Menschen überall auf der Welt „befreundet“ sein und mit BF haben die besten Freund*innen sogar ihre eigene Abkürzung. Für uns sind (Frauen-)Freundschaften längst ganz selbstverständlich wichtig, und auch an der Entwicklung des Freundschaftskults im 18. Jahrhundert waren Frauen wesentlich beteiligt – „Freundschaft wurde zur weiblichen Bühne“, wie es im Flyer zur Ausstellung heißt. Bürgerliche und adlige (wie einschränkend angemerkt werden muss) Frauen seien in den Austausch miteinander getreten, hätten sich gemeinsam weitergebildet und gegenseitig gefördert. Im 19. Jahrhundert seien Frauenfreundschaften und -netzwerke für den Kampf um das Frauenwahlrecht schließlich entscheidend gewesen.

Vor diesem Hintergrund wirft die Ausstellung Freundinnen als Teil des Gesamtprojekts zum Jubiläumsjahr 100 Jahre Frauenwahlrecht einen Blick zurück auf bekannte und weniger bekannte Freundinnenpaare in der Geschichte. Deren Beziehungen zueinander, aber auch deren Bedeutung für Frauen insgesamt werden den Besucher*innen über große Plakate im Erdgeschoss nähergebracht. Auf diese Weise werden Freundinnen wie z. B. Luise Viktoria Gottsched und Dorothea Henriette von Runckel oder Bettina Brentano und Karoline von Günderrode vorgestellt. Wir erfahren, was sie verbunden hat und worüber sie sich ausgetauscht haben. Daneben finden sich Gemälde von Jutta Hellweg aus der Serie Geliebtes Wesen, in denen die Künstlerin zwischen 1992 und 1996 berühmte Frauen aus Kunst, Kultur und Politik über Doppelporträts miteinander verbunden hat. Szusza Szvath hat Hannah Arendt und Mary McCarthy, nach eigener Aussage, „im Gespräch gemalt“. Ergänzt werden die Stücke durch historische Freundschaftsbücher, von denen einige sogar über zweihundert Jahre alt sind, und ausgestellte Schriften der vorgestellten Autorinnen.

Freundschaft in Worten

Im ersten Obergeschoss sind die Exponate stärker in die ständige Sammlung des Frauenmuseums integriert, sodass die Übergänge fließend sind und nicht immer klar wird, ob einzelne Bilder oder Installationen Teil der Freundinnen-Ausstellung sind. Das ist spannend und eröffnet neue Perspektiven, hinterlässt nicht selten aber auch ein Gefühl der Verwirrung und Irritation, wenn der thematische Fokus dadurch aus dem Blick gerät. Während sich in der unteren Etage insbesondere auf einzelne Freundschaften berühmter Frauen konzentriert wird, geht es oben stärker um eine allgemeinere Auseinandersetzung mit Freundschaft. Hier findet sich u. a. die Arbeit Hommage von Marlene Leal da Silva Quabeck. Zentrale Elemente dieses Werks sind Zitate zum Thema Freundschaft, die auf verschiedene Weise eingebunden sind, wie beispielsweise Aristoteles’ bekannter Satz: „‚Freundschaft‘, das ist eine Seele in zwei Körpern.“

Insgesamt bietet die Ausstellung Freundinnen – vom romantischen Salon zu Netzwerken heute über Informationen zu bedeutenden Freundinnenpaaren, über Kunst, die sich mal mit diesen im Speziellen, mal mit Freundschaft im Allgemeinen auseinandersetzt, und über historische Exponate vielfältige und anregende Einblicke in das Themenfeld. Obwohl im Titel und im Flyer ein Bezug zur Gegenwart deutlich wird, liegt der Schwerpunkt doch auf einem geschichtlichen Zugang, was aufschlussreich, aber gleichzeitig verengend wirken kann. Auch – und damit vielleicht in Verbindung stehend – wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Begriffe der Freundin und der Frauenfreundschaft offener gehalten und mehr Platz für diversere Deutungen gelassen worden wäre. Dadurch dominiert am Ende das Bild von Freundschaft als Beziehung zwischen (zwei) privilegierten, weißen Cis-Frauen, ohne ausreichend Raum für Pluralität. Wer aber, eher nebenbei, das Streifenplakat im ersten Obergeschoss entdeckt, das zu eigenen Gedanken anregen soll, erfährt über die dort hinterlassenen Kommentare, dass Freundinnen auch gegensätzlicher Meinung sein dürfen, dass sie sich gegenseitig beschützen und gemeinsam trauern und diskutieren ohne Ende – vielleicht auch über das, was (Frauen-)Freundschaft eigentlich ist.
 

Informationen

Freundinnen – vom romantischen Salon zu Netzwerken heute
18.02.2018 bis 16.09.2018
Frauenmuseum Bonn
Im Krausfeld 10
53111 Bonn
Tel.: (0228) 69 13 44
frauenmuseum@bonn-online.com
www.frauenmuseum.de

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Samstag 14:00 bis 18:00 Uhr
Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr

Eintrittspreise:
Erwachsene: 6 Euro/ermäßigt 4,50 Euro
Gruppen ab 5 Personen: 4,50 Euro
Schüler*innen & Studierende: 3 Euro

Zitation: Jenny Bünnig: Beste Freundinnen?! Zur Geschichte der Frauenfreundschaft – eine Ausstellung, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 24.07.2018, www.gender-blog.de/beitrag/beste-freundinnen-zur-geschichte-der-frauenfreundschaft--eine-ausstellung/

Beitrag (ohne Headergrafik) lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz Creative Commons Lizenzvertrag

© Headergrafik: Daniela Flörsheim/"Freundinnen"

Dr. Jenny Bünnig

Jenny Bünnig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen: Literatur und Kunst der Moderne und Gegenwart, Melancholie, Fremdheit, Zeit- und Raumdarstellungen, „weibliche“ Identitätskonstruktionen in der Literatur, Frauendarstellungen in der Kunst.

Zeige alle Beiträge
Netzwerk-Profil Dr. Jenny Bünnig

Schreibe einen Kommentar (max. 2000 Zeichen)

Es sind max. 2000 Zeichen erlaubt.
Die E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Kommentare werden von der Redaktion geprüft und freigegeben.