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This is a men’s world. Herrschaft und Geschlecht im Film Mary Queen of Scots

26. Februar 2019 Heike Mauer

Nicht zuletzt durch diverse medial inszenierte Hochzeiten und Geburten erlebt das britische Königshaus eine erstaunliche Renaissance. Kaum noch wird sich an die Krise der Monarchie erinnert, die mit The Queen (2006) auch kulturindustriell überwunden wurde, indem ein jugendlicher Tony Blair das Königshaus, personifiziert durch Elizabeth II als eine ihrem Volk entfremdete – vom plötzlichen Tod Lady Dianas überforderte – Monarchin, vor dem Untergang rettet. Besonders beliebt bleibt die Zeit der Tudors. Eine der spektakulärsten literarischen Aneignungen der Erzählung von Aufstieg und Fall Anne Boleyns, Königin von England, Ehefrau von Henry VIII und Mutter von Elizabeth Tudor, aus der Perspektive des ‚bürgerlichen‘ Thomas Cromwell wurde jüngst als BBC-Miniserie verfilmt. In der britisch-amerikanischen Ko-Produktion Mary Queen of Scots (2018) ist Elizabeth als Antagonistin Maria Stuarts wie als deren Schwester im Geiste eine zentrale Figur.

Die Handlung beginnt 1587 mit den Vorbereitungen zur Hinrichtung Maria Stuarts, um unmittelbar vor deren Vollstreckung zu einer langen Rückblende anzusetzen: Die 18-jährige Maria Stuart kehrt 1561 als Witwe des französischen Königs nach Schottland zurück. Dort übernimmt sie sogleich die Regierungsgeschäfte von ihrem Halbbruder und stellt Kontakt zu Elizabeth her, um ihre Ansprüche auf den englischen Thron geltend zu machen und von der unverheirateten und kinderlosen Elizabeth zu deren Nachfolgerin ernannt zu werden. Doch am schottischen Hof wendet sich der protestantische Kleriker John Knox gegen Maria und agitiert gegen die ‚Plage der weiblichen Herrschaft‘, die das Land befallen habe. Auch Elizabeths Kronrat versucht, den persönlichen Kontakt zwischen den beiden Souveräninnen zu verhindern und Elizabeth zur Heirat zu bewegen, um die Regentschaft des Hauses Tudor zu sichern.

Maria heiratet den Engländer Lord Darnley, was ihr Verhältnis zu Elizabeth verkompliziert, da Maria und Darnley, beide Cousin und Cousine Elizabeths, mit der Heirat ihre Thronansprüche vereinen. Kurz nach der Geburt eines Thronfolgers wird Marias Ehemann ermordet und Maria von dessen mutmaßlichem Mörder vergewaltigt und mit körperlicher Gewalt zur Heirat gezwungen. Dies nimmt wiederum der schottische Adel zum Anlass, Maria zur Abdankung zu zwingen. Sie flieht nach England, trifft im Geheimen auf Elizabeth und bittet um deren Unterstützung zur Wiedererlangung der Krone. Doch Maria scheitert. Von Elizabeth unter Arrest gestellt, wird sie nach 20-jähriger Gefangenschaft auf Elizabeths Befehl hingerichtet.

Der Film lehnt sich mit einigen der filmischen Umsetzung geschuldeten Vereinfachungen und Freiheiten (u. a. diverse Besetzung für ‚weiße‘ Charaktere) nah an die historische Überlieferung an. Die Darstellung lebt von den Inszenierungen des Kontrastes zwischen der rauen schottischen Landschaft und der Akkuratesse der englischen Herrschaftsarchitektur sowie den Gegensätzen der grandiosen Hauptdarstellerinnen Saoirse Ronan (Maria Stuart) und Margot Robbie (Elizabeth). Spannend ist hierbei, wie im Film frühneuzeitliche Macht- und Herrschaftsansprüche in ihrer Verwobenheit mit Geschlechterverhältnissen dargestellt und inszeniert werden. Hierbei bietet Regisseurin Josie Rourke eine feministische Interpretation an, die vor allem die Zwänge und Einschränkungen in Szene setzt, denen weibliche Herrscherinnen aufgrund der patriarchalen Ordnung unterworfen waren – und die gegensätzlichen Handlungsstrategien, die die beiden Königinnen ergreifen, um diesen zu begegnen: Elizabeth transformiert sich im Verlauf des Films mehr und mehr zu einer maskierten, versteinerten, empathielosen und unnahbaren virgin queen, die sich aus Angst vor einem Verlust ihrer Souveränität sogar eine Liebesheirat versagt. Maria hingegen will mit ihrer gezielten Heirat und der Geburt eines legitimen Thronerben ihre Herrschaft sichern. In ihrer jugendlichen Inszenierung und in der Tatsache, dass sie im Gegensatz zu Elizabeth scheinbar überhaupt nicht altert, deutet sich ihre naive Haltung an. Letztlich scheitern ihre Pläne an männlichen Intrigen: Der schottische Adel, darunter ihr eigener Bruder, hintertreibt ihre Position gezielt und begeht persönlichen Verrat.

Der Film suggeriert, dass der Konflikt zwischen Maria und Elizabeth in erster Linie von ihren Beratern sowie der Geistlichkeit geschürt wird, die aus grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber der weiblichen Herrschaft eine Solidarisierung der beiden Königinnen verhindern und deren Konkurrenz anstacheln wollen. Hier spielt der Film auf die ideengeschichtliche Querelle des Femmes, die Kontroverse der Staatsrechtler um die Frage der weiblichen Herrschaft, an, die sich im 16. Jahrhundert nicht zuletzt vor der Hintergrund der Präsenz und Macht der englischen und schottischen Herrscherinnen intensivierte (vgl. Opitz-Belakhal 2005, 2019).

Der Höhepunkt des Films, das fiktive Aufeinandertreffen der beiden Monarchinnen, bei dem sich Maria in einem Labyrinth aus Tüchern und Vorhängen suchend auf Elizabeth zubewegt, legt jedoch noch etwas Anderes nah: Es sind auch die von den beiden Königinnen verinnerlichten Vorstellungen absolutistischer Herrschaft, königlicher Souveränität und des eigenen Exzeptionalismus, die im persönlichen Zusammentreffen verhindern, dass sich beide Frauen als Gleiche begegnen können. Insofern lässt sich Mary Queen of Scots nicht nur als Anklage patriarchaler Herrschaft, sondern auch als Plädoyer für staatsbürgerliche und demokratische Gleichheit interpretieren. Dass diese real jedoch zunächst mit einer Modernisierung des Patriarchats einherging, lässt sich anhand der feministischen Ideengeschichte gut nachvollziehen. So zeigte etwa Carole Pateman (1988), dass die Kritik des Vertragstheoretikers John Locke an ‚patriarchaler‘ Herrschaft im Wesentlichen darauf zielt, die väterliche Herrschaft durch eine der Ehemänner und Brüder zu ersetzen. Mary Queen of Scots illustriert gerade durch den Fokus auf weibliche Körper, dass frühneuzeitlichen Herrschaftskonzeptionen die Trennung zwischen dem Privaten und dem Politischen fehlt, die sich jedoch für die bürgerliche Geschlechterordnung als zentral erweisen sollte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zitation: Heike Mauer: This is a men’s world. Herrschaft und Geschlecht im Film Mary Queen of Scots, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 26.02.2019, www.gender-blog.de/beitrag/this-is-a-mens-world-herrschaft-und-geschlecht-im-film-mary-queen-of-scots/

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Dr. Heike Mauer

ist Politikwissenschaftlerin und forscht an der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW an der Universität Duisburg-Essen zu Hochschule und Gleichstellung. Von 2016-2021 war sie eine der Sprecher*innen der Sektion 'Politik und Geschlecht' in der DVPW. Für ihre Forschungen zu Intersektionalität, Rechtspopulismus und Antifeminismus ist ihr 2019 der Preis für exzellente Genderforschung des Landes NRW verliehen worden.

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