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Forschung

Gender in die Hochschullehre. Das Projekt gender*bildet der MLU Halle-Wittenberg

26. Mai 2020 Lena Eckert Dayana Lau

Seit einigen Jahren werden verstärkt Projekte und Programme zur Verankerung von Gender Studies in der Hochschullehre eingerichtet. Eines von ihnen ist das Projekt gender*bildet, das es seit Juni 2018 an der MLU Halle-Wittenberg gibt. Das Projekt bietet Weiterbildungen für Lehrende zu gender- und diversitätsreflektierender Hochschuldidaktik sowie ein Zertifikat in Gender Studies an und fördert die Verankerung von Gender und Queer Studies in den Fachdisziplinen.

gender*bildet – Rahmenbedingungen

Das Projekt ist auf sieben Semester Laufzeit angelegt und ist das erste derartige Projekt in Sachsen-Anhalt. Keine Hochschule im Land verfügt bisher über ein Studienprogramm oder eine Professur mit Volldenomination im Bereich der Gender Studies. Insofern kann das Projekt als kompensatorische Maßnahme unter prekären Bedingungen angesehen werden: Die Projektmitarbeiter*innen sind teilzeitbeschäftigt und nach derzeitigem Stand wird das Projekt mit Ende der Befristungsdauer – wie an vielen anderen Orten auch – nicht weitergeführt. Die Sachmittelausstattung hingegen ist solide und ermöglicht ein breit angelegtes Veranstaltungsangebot. Dieses konzentriert sich jedoch ausschließlich auf die Hochschullehre, was der Finanzierung des Projektes aus Mitteln des Hochschulpaktes 2020 geschuldet ist. Im Folgenden stellen wir die Angebote von gender*bildet vor.

Genderreflektierende Lehre – Hochschuldidaktische Weiterbildungen

Das Weiterbildungsangebot „Diskriminierungskritische Lehre“, das im Rahmen des Hochschuldidaktik-Zertifikatsprogramms „Erfolgreich Lehren“ der MLU angeboten wird, zielt darauf, didaktische Kompetenzen bei Lehrenden aller Fächer auszubilden. Die Trainings bieten den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Lehrgestaltung im Hinblick auf eine gender- und diversitätsreflektierende Didaktik zu entwickeln. Dies dient dem Überblick über die Vielzahl von gender- und diversitätsreflektierenden Aspekten in Seminaren und Vorlesungen, sowie der diskriminierungskritischen Sprachverwendung in Lehrmaterialien und in der Kommunikation mit Studierenden. Im Rahmen der Weiterbildungen werden die fünf Dimensionen „Teilnehmende“, „Inhalte“, „Methodik“, „Leitende“ und „Rahmenbedingungen“ thematisiert und im Hinblick auf diskriminierungskritische Lehr- und Lernsituationen unter besonderer Beachtung von Genderaspekten bearbeitet.

Im Anschluss daran können die Teilnehmer*innen ein weiterführendes Angebot wählen, das als kollegialer Hospitationsaustausch ausgestaltet ist. Dieser findet auf der Grundlage gegenseitiger Hospitationen in Lehrveranstaltungen statt. Hier sollen die im Workshop entwickelten Lehreinheiten eingesetzt werden. Durch eine Doppelhospitation durch zwei Kolleg*innen wird den Lehrenden Feedback zu den entworfenen Lehreinheiten gegeben. Zudem werden die Feedbackprozesse durch die Workshopleitung supervidiert. Die entworfenen Lehreinheiten können dann in einem zweiten Durchgang angepasst und erweitert werden.

Fächerspezifische Workshops

In diesem Bereich werden zwei unterschiedliche Workshopformate angeboten. Pro Semester wurden ein Workshop für Sozial- und Geisteswissenschaftler*innen und ein Workshop für Lehrende aus den MINT-Fächern durchgeführt. Diese Trennung erwies sich in der Praxis als gewinnbringend, da Lehrende aus den zwei Bereichen sehr unterschiedliche Vorkenntnisse der Gender Studies, aber auch sehr unterschiedliche Kenntnisse der Hochschuldidaktik mitbringen. Mit den entwickelten, spezifisch auf die Fächerkulturen abgestimmten Weiterbildungsinhalten kann auf diese Unterschiede eingegangen und den Teilnehmer*innen eine Möglichkeit zur Überarbeitung ihrer Lehrveranstaltungen in Hinblick auf gender- und diversitätsreflektierende Hochschuldidaktik angeboten werden.

Relevanz von Genderaspekten in Fachdisziplinen

Ein weiterer Arbeitsbereich von gender*bildet konzentriert sich darauf, Lehrenden fachliche Zugänge zu den Gender Studies zu ermöglichen und Schnittstellen zwischen den Fachdisziplinen und der Genderforschung aufzuzeigen. Dazu ist eine enge Verknüpfung von Forschung und Lehre grundlegend. Daher versuchen wir, verschiedene Aktivitäten miteinander zu verbinden: Zum einen werden in Zusammenarbeit mit den Fakultäten der MLU interdisziplinäre und fachspezifische Angebote (Vorträge und Workshops) organisiert und durchgeführt. Zum anderen werden Forschungsprojekte – darunter auch Abschluss- und Qualifikationsarbeiten – zu Themen der Genderforschung initiiert und begleitet. Dies schließt den Aufbau und die Pflege eines interdisziplinären Netzwerks für Universitätsangehörige mit ein. Darüber hinaus beteiligen sich die Projektmitarbeiter*innen an den Aktivitäten der regionalen und inter/nationalen Netzwerke der Gender Studies.

Zu den Angeboten dieses Moduls gehören außerdem ein regelmäßiges Forschungskolloquium für Promovend*innen, Habilitand*innen und Postdocs sowie die Organisation und Durchführung interdisziplinärer Workshops und Veranstaltungen. Gleichzeitig stehen auch die Vermittlung von Kontakten, die Organisation und Durchführung von Kooperationsveranstaltungen zwischen der MLU und (außer)universitären Trägern der Genderforschung auf der Agenda. Die Erarbeitung von Forschungsvorhaben und -anträgen, die Durchführung von Forschungsprojekten sowie die aktive Teilnahme an (inter)nationalen Tagungen und Konferenzen sowie eigene Publikationstätigkeit, jeweils im Rahmen unserer Weiterqualifikation, gehören ebenfalls dazu.

Das Zertifikat Gender Studies

Das Zertifikatsstudium bietet eine studienbegleitende, freiwillige Zusatzqualifikation für Studierende aller Studiengänge der MLU. Das Studienprogramm führt in unterschiedliche Ansätze der Konstruktion von Geschlecht ein, behandelt politische Strategien wie Gender-Mainstreaming und Diversity-Management sowie sensibilisierende Zugänge zu Ungleichheitsverhältnissen zwischen den Geschlechtern. Das Programm ist grundsätzlich pluralistisch und interdisziplinär ausgerichtet und orientiert sich an einer intersektional und heteronormativitätskritisch grundierten Theoriebildung. Eine pluralistische Ausrichtung versteht sich dabei als notwendige Bedingung mit Blick auf die Genese und aktuelle Verfasstheit der Gender und Queer Studies. Daraus ergibt sich eine interdisziplinäre Ausgestaltung des Programms, die nicht nur die Breite der Gender Studies, sondern insbesondere auch die Schnittstellen zwischen den Disziplinen in der Analyse von Geschlechterverhältnissen hervorhebt. Das Programm vermittelt zudem intersektionale Perspektiven auf Geschlecht. Grundlegend ist auch das Konzept einer heteronormativitätskritischen Bildung, da es eine differenzierte Auseinandersetzung mit Diskriminierungsmechanismen hegemonialer Bildungskonzepte und -praktiken eröffnet und der Bildungspraxis dekonstruktive Ansätze zur Verfügung stellt. Auf diese Weise ermöglicht das Zertifikatsstudium eine vertiefte Analyse der (eigenen) Praxis und der Entwicklung von Handlungsstrategien.

Auftrag versus Anspruch

Ein Auftrag des Hochschulpaktes lautet, „mehr Studierende qualitätsgesichert zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.“ Dies impliziert die Aufforderung, messbare Ergebnisse zu liefern, die in der kurzen Laufzeit des Projektes innerhalb und außerhalb der Institution möglichst sichtbar werden sollen. Diese Anforderung schlägt sich im Konzept der Gender-Kompetenz nieder, welches auch in unserem Programm einen Baustein bildet. Kompetenzen gelten als messbar, qualitätssichernd und entsprechend zertifizierbar. Jedoch erscheint die Idee einer Gender-Kompetenz nur schwer vereinbar mit einem (de)konstruktivistischen Verständnis von Gender. Dies widerspricht den dominanten Konzepten von Gender-Kompetenz in pädagogischen und erwachsenenbildnerischen Kontexten, in denen der Kompetenzbegriff eng mit gleichstellungs- und bildungspolitischen Anliegen verknüpft ist. Diese Ambivalenz spiegelt sich in den grundlegenden Widersprüchen zwischen dem utilitaristischen Impetus von Zertifikaten, Leistungsnachweisen und anderen scheinbar messbaren Einheiten und dem Theorie-, Bildungs- und Politikverständnis, das unsere feministisch-diskriminierungskritische Bildungsarbeit begleitet.

Derzeit gibt es ca. 30 Gender- bzw. Diversity-Zertifikate für Studierende an deutschen Universitäten. Eine Liste von Zertifikatsstudiengängen führt das Projekt gender*bildet auf seiner Website

Zitation: Lena Eckert, Dayana Lau: Gender in die Hochschullehre. Das Projekt gender*bildet der MLU Halle-Wittenberg, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 26.05.2020, www.gender-blog.de/beitrag/gender-in-die-hochschullehre/, DOI: https://doi.org/10.17185/gender/20200526

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Dr. Lena Eckert

Lena Eckert ist Genderwissenschaftlerin und derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (gender*bildet). Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen an den Schnittpunkten der Gender und Queer Studies, der Medienwissenschaft und Bildungsforschung. Sie forscht aus queer-feministischer und kulturwissenschaftlich-ästhetischer Perspektive zur Wissensgenerierung und Bildung in der Hochschule.

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Dr. Dayana Lau

Dayana Lau ist Erziehungswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (gender*bildet) und der Alice Salomon Hochschule Berlin (Alice Salomon Archiv). Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den pädagogischen Gender Studies und der Geschichte sozialer Bewegungen in der Sozialen Arbeit. Sie forscht zu sozialbewegter Wissensproduktion und Geschlechterverhältnissen im Wissenschaftsbetrieb.

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